Was im Dunkeln liegt
verstrickt, die um meine Aufmerksamkeit buhlten, doch blinde Panik trug den Sieg davon. In einem Augenblick von Déjà-vu hörte ich Trudies Lachen und ihre Worte: »Das ist nur die ermordete Agnes.«
Verstohlen klappte ich das Tagebuch zu, den Blick unentwegt auf den Türspalt gerichtet. Es war nichts zu sehen oder zu hören – kein Hinweis darauf, dass überhaupt jemand da gewesen war. Ich stopfte das Tagebuch tief zwischen die Sachen, die verbrannt werden sollten. Jetzt wusste ich nicht, was Trudie sonst noch über mich geschrieben hatte oder wann ihr letzter Eintrag gewesen war.
Ich schnappte mir die nicht brennbaren Sachen und brachte sie zum Mülleimer hinunter, sorgfältig darauf bedacht, die Geldbörse unter den weniger interessanten Dingen zu verstecken. Im Hinterkopf hatte ich die vage Vorstellung, dass ein so persönlicher Gegenstand sich bis zu der vermissten Schülerin Trudie Finch zurückverfolgen ließe.
Wieder zurück im Zimmer, zog ich die Bettbezüge ab, sammelte die Handtücher ein und trug alles nach unten in die Küche, wo ich die Waschmaschine zum Spülbecken schleifte und Wasser einlaufen ließ. Während ich wartend danebenstand, kam Simon in die Küche.
»Könnt ihr im Garten ein Feuer machen?«, fragte ich. »Ich habe alles zum Verbrennen fertig.«
Er nahm eine Schachtel Streichhölzer vom Regal über dem Boiler und ging wortlos wieder hinaus.
Sobald die Waschmaschine mit Wasser gefüllt war, stellte ich das Programm ein und warf Bettzeug und Handtücher in die Maschine. Dann kehrte ich mit einem Staubwedel ins Zimmer zurück und fing mit dem Saubermachen an, wobei ich immer wieder einen Blick nach draußen warf, um zu sehen, ob Simon es geschafft hatte, das Feuer zu entfachen. Aus dem Fenster konnte ich jenseits des Gartens zu Bettis Wood hinüberschauen. Es war nicht mehr so heiß wie am Tag zuvor. Graue Wolken hingen über dem Tal, ließen die Bäume düster und unheilvoll erscheinen. Ich wusste, wo Simon den Feuerplatz errichten würde. Hinter den Hortensien gab es eine Art Lichtung mit den Resten früherer Feuerstellen. Tatsächlich stiegen nach etwa fünf Minuten zarte Rauchschleier über den Büschen auf. Sorgfältig wickelte ich das Tagebuch in eines von Trudies T-Shirts und ging mit der prall gefüllten Tasche nach draußen, wo Simon mit ein paar trockenen Hölzchen eine kleine Flamme speiste.
»Ich habe es mit alten Zeitungen aus dem Schuppen angefacht«, sagte er. »Aber es ist ziemlich schwierig. Das meiste Holz, das wir gehackt haben, ist zu grün, um zu brennen.«
»Hauptsache es reicht aus, um diese Sachen hier loszuwerden«, sagte ich.
»Ist es nur diese Tasche?«
»Ja. Der Rest ist im Müll.« Angesichts seines erschrockenen Ausdrucks fügte ich rasch hinzu: »Es ist nur Deospray und so ein Kram. Nichts Persönliches. Nichts, was man identifizieren könnte.«
Ich warf immer zwei, drei Sachen gleichzeitig ins Feuer. Trotz meiner Ungeduld, mit Trudies Zimmer fertig zu werden, war ich fest entschlossen, so lange zu bleiben, bis
ich sicher sein konnte, dass das Tagebuch und alles andere vernichtet waren. Simon schien es gleichgültig zu sein, ob ich dabei war oder nicht. Bis auf ein gelegentliches Knistern war es in der kleinen Lichtung völlig still. Als der Rauch in unsere Richtung zog, bewegten wir uns gleichzeitig zur Seite, aber so beharrlich, wie wir einander ignorierten, hätten wir ebenso gut in unterschiedlichen Galaxien leben können.
»Wo ist Danny?«, fragte ich schließlich.
»Treibt sich irgendwo herum.«
»Irgendeine Ahnung, was er macht?«
»Nein.«
Ich bemerkte, dass seine Augen rot gerändert waren. Es konnte vom Rauch oder vom Schlafmangel herrühren, dennoch fragte ich mich, ob er wohl wieder geweint hatte. Mir kam in den Sinn, dass Simon von uns allen Trudies beständigster Freund gewesen war. Sie hatten sich einander anvertraut. Er wusste über Trudies Ausreißen Bescheid – und über den Nachmittag, den Trudie und ich zusammen im Bett verbracht hatten. Ich versuchte mich zu erinnern, was sie gesagt hatte – dass Simon nicht glücklich darüber sei. Was hatte er in jener Nacht gemeint, als ich ihn in der Diele belauschte und er sagte, es könne jemandem übel ergehen? Meinte er emotional – oder hatte er sie bedroht? Meine Gedanken zogen immer größere Kreise, weil ich davor zurückschreckte, zum Kern der Sache vorzudringen – und die ganze Zeit über standen wir schweigend da und beobachteten düster, wie sich
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