Was im Dunkeln liegt
starten wolle.
»Es macht nichts«, sagte ich rasch. Ich kannte ihn kaum eine halbe Stunde und wollte nicht, dass er sein Geld für einen Plüschhasen rausschmiss.
»Los, komm«, sagte Simon etwas ungeduldig. »Gehen wir zum Twister.«
Doch Danny drückte dem Budenbetreiber bereits eine Pfundnote in die Hand und ergriff erneut das Gewehr. Seine ganze Körperhaltung strahlte Konzentration aus. Die nächsten drei Schüsse gingen gleichfalls weit am Ziel vorbei.
»Die manipulieren die Gewehre«, sagte Simon leise und mit einem wachsamen Blick auf den Schießbudenbetreiber, der nur einen Meter von uns entfernt war und gerade Geld von einem anderen hoffnungsvollen Schützen kassierte. »Verstellen das Visier oder so. Du wirst nicht treffen«, fügte er, an Danny gerichtet, mit lauterer Stimme hinzu.
»Also, es macht mir wirklich nichts aus …«, begann ich.
Der Schießbudenbetreiber kam gemächlich zu uns zurück. Er bedachte Simon mit einem feindseligen Blick. »Du behauptest also, hier wird mit Tricks gearbeitet, Bürschchen?«
In diesem Moment schoss Danny erneut und traf mitten ins Schwarze. Er warf das Gewehr auf die Theke, riss die Arme in die Höhe wie ein Fußballspieler, der im Endspiel das entscheidende Tor geschossen hat, und wandte sich in dieser Siegergeste mir zu, um mich schließlich in einer Umarmung an sich zu drücken.
»Gut gemacht, mein Sohn«, sagte der Schießbudenbetreiber und bückte sich nach einem Plüschhasen; auf ein Zeichen von Danny hin reichte er den Hasen mir, was ihm gleichzeitig Gelegenheit bot, Simon herausfordernd anzustarren. Simon wich rasch einen Schritt zurück, doch Danny nahm in seinem Siegestaumel die Spannung gar nicht wahr. Sein entschlossenes Vorgehen, um meine launische Anwandlung zu befriedigen, gepaart mit der Tatsache, dass er der bei Weitem hübscheste Junge war, der je Interesse an mir gezeigt hatte, sorgten dafür, dass ich mehr als nur »total geschmeichelt« war – ich schwebte geradezu auf Wolken.
Obwohl Cecile mit Simon verkuppelt worden war, ging es zwischen den beiden nicht über einen Kinobesuch mit Danny und mir hinaus. Sie passten einfach nicht zusammen. »Er ist ein hoffnungsloser Fall«, erzählte sie mir nach dem Kino. »Als würde man versuchen, einen Plattfisch zu küssen.«
Danach gingen Danny und ich noch einige Male allein miteinander aus. Für mehr war keine Gelegenheit, bevor Simon und er an die Universität zurückgingen; allein das Wort »Universität« löste Angst und Schrecken in mir aus, waren damit doch schemenhafte weibliche Wesen verbunden, die es wahrscheinlich kaum erwarten konnten, ihn in ihre Klauen zu bekommen. Ich fürchtete insgeheim, nie wieder von ihm zu hören, doch er rief mich beinahe
täglich an, und einmal im Monat kam er mit dem Zug nach Birmingham gereist – jeder kurze Besuch wie eine aufregende Farbexplosion auf einer sonst grauen Leinwand.
Wenn Danny da war, war immer etwas los. Während ich nur davon redete, einen Tag in London zu verbringen, ging er los und besorgte die Fahrkarten. Durch ihn lernte ich Rock-Konzerte, Folk-Clubs und chinesisches Essen kennen. Mein Leben spielte sich nicht mehr nur zwischen den engen Grenzen von Elternhaus und Hochschule ab, sondern schien die ganze Welt zu umfassen. Endlich nahm ich am Leben teil, statt nur Beobachterin zu sein. Ich glaube, es war zu dem Zeitpunkt, als die Blumen zu meinem Geburtstag eintrafen – nicht nur irgendwelche langweiligen Blumen, sondern ein Strauß roter Rosen; eine Geste, die sowohl kostspielig als auch unglaublich romantisch war –, dass unsere Beziehung eine rasante Entwicklung vom bloßen »Sichtreffen« hin zur großen Leidenschaft machte. Von da an war ich ihm rettungslos verfallen.
Einen Freund zu haben galt damals als Beweis dafür, dass man kein Versager oder Freak war. Es definierte deinen Wert als Mensch. Mitschülerinnen von der Hochschule, die uns zusammen gesehen hatten, machten sich an mich heran und säuselten: »Ein Supertyp. Wo hast du den denn her?« Danny bezauberte jeden, der ihn kennenlernte, und ich sonnte mich im Neid der anderen. Natürlich konnte ich mich bei meinen Eltern darauf verlassen, dass sie für einen Misston sorgten. Obwohl sie Danny überfreundlich willkommen hießen, murrten sie innerhalb der Familie, ich sei geradezu besessen von jemandem, den ich angeblich kaum kannte.
»Du bist nicht wirklich verliebt in ihn, weißt du«, belehrte mich meine Mutter. »Du bist in die Vorstellung
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