Was im Dunkeln liegt
verliebt, verliebt zu sein.« Ich kannte diese Songzeile aus ihrer Rodgers-and-Hart-LP und ignorierte den Hinweis. »Du bist noch zu jung, um dich selbst zu kennen«, beharrte sie. »Du warst schon immer eine Träumerin. Da ist es nicht weiter verwunderlich, dass du dich in den erstbesten Jungen verliebst, der des Weges kommt.« Es war absolut typisch für sie, dass sie mir in dieser glücklichen Zeit, die sich zur besten meines Lebens entwickelte, einen Eimer kaltes Wasser verpasste. Sie hat nie verstanden, dass man, wenn man auf Wolken schwebt, auf keinen Fall in den Abgrund hinunterblicken möchte.
Etwa drei Monate nach unserer ersten Begegnung unterbreitete mir Danny erstmals den Vorschlag, den Sommer bei Simons Onkel zu verbringen. »Sag, dass du mitkommen wirst«, bat er. »Wir werden eine tolle Zeit haben.«
»Wäre das für Simon denn in Ordnung?«, fragte ich. Ich hatte Simon bis dahin nur wenige Male getroffen, doch Danny versicherte mir ohne zu zögern, dass dies überhaupt kein Problem sei. »Je mehr Leute, desto lustiger«, sagte er, was mich zu der Annahme verleitete, wir würden eine ganze Gruppe sein, die den Sommer über in einer Art Kommune in einem großen alten Haus leben und eine Menge Spaß haben würde.
Die Aussicht, den ganzen Sommer mit Danny zu verbringen, bescherte mir die wildesten Tagträume. Damals lebten nur wirklich avantgardistische Paare offen vor der Ehe zusammen. Anständige Paare mit ländlichem Mittelklassehintergrund »gingen miteinander«, um sich irgendwann formell zu verloben. Eher liberale Eltern erlaubten
dann vielleicht gelegentliche Besuche über Nacht oder sahen geflissentlich über die offenkundige Bedeutung gemeinsamer Ferien hinweg oder einer Wohnung, die offiziell mit Freunden desselben Geschlechts geteilt wurde; doch für die meisten von uns bestand die Zukunft aus einem weißen Hochzeitskleid und Scherzen über »die Nacht der Nächte« beim Hochzeitsempfang.
Ich war klug genug, um das Haus-des-Onkels-in-Hereford-Thema zu Hause nicht anzuschneiden – meine Eltern wären niemals einverstanden gewesen, und hätte ich an dem Arrangement irgendetwas hinzuerfunden, wäre Hereford für meine Eltern nahe genug gewesen, um dorthin zu fahren und meine Angaben zu überprüfen. Also heckte ich mit Ceciles tatkräftiger Hilfe einen Plan aus, der mir meine Eltern vom Leib halten würde. Trotz meiner neunzehn Jahre war es für meine Eltern undenkbar, dass ich selbst darüber entschied, wie ich meine Sommerferien verbringen wollte – der Vorschlag mit Frankreich führte zu einer langen Debatte, in der mein Bruder Edward seine Meinung äußerte und sogar meine kleine Schwester ihr Stimmchen erhob, bis meine Eltern sich geschlagen gaben und den Obsternte-Plan akzeptierten, falls diverse Bedingungen erfüllt sein würden. Tatsächlich waren meine Eltern zu Beginn der Sommerferien sehr zufrieden mit sich und ihrer Entscheidung, mich mit Cecile nach Frankreich fahren zu lassen. Sie machten kein Geheimnis daraus, dass der Plan nebenbei den großen Vorteil hätte, mich von Danny fernzuhalten, über den sie mir ständig in den Ohren lagen, ich solle es nicht »zu ernst« werden lassen, weil das mein Studium beeinträchtigen könnte. Zu ernst! O Gott!
Als ich aus der Dusche komme, ist Pam bereits zu den
Haartrocknern hinübergegangen, wo sie vor dem Spiegel Make-up und Lippenstift aufträgt. Der Vorgang erfordert eine gewisse Konzentration, was sie daran hindert, sich weiter mit Marjorie zu unterhalten, die sich daraufhin mir zuwendet.
»Ich habe Sie gestern Abend in der Menlove Avenue gesehen.« Sie wirft mir die Worte fast ohne hochzublicken zu, während sie damit fortfährt, ihren feuchten Badeanzug in ihr Handtuch zu wickeln und verschiedene andere Dinge in ihrer Schwimmtasche zu verstauen.
In ihrem Ton liegt keinerlei Anklage, aber sie hat mich überrumpelt. Vor Schreck wage ich nicht, ihrem Blick zu begegnen – starre unverwandt die funktionellen weißen Kacheln an und fahre damit fort, meine Oberschenkel abzutrocknen. In dem Versuch, Zeit zu schinden, sage ich: »Menlove Avenue?«, als hätte ich den Namen noch nie gehört. »Wo genau soll die sein?«
»In Kings Heath, gleich bei der Harding Lane.« Dummerweise hat mein gekünsteltes Unverständnis lediglich ihre Neugier entfacht. »Sie waren gestern Abend dort«, beharrt sie. »Es sah aus, als würden Sie auf jemanden warten.« An Marjories Neugierde ist nichts Subtiles. Jemand anders würde vielleicht
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