Was im Dunkeln liegt
Abwehr wahrnehmen und nicht weiterbohren, aber sie weicht keinen Millimeter zurück.
»Nein«, sage ich. »Das ist ausgeschlossen – ich war gestern den ganzen Abend zu Hause.« Ich sehe sie nicht an. Trockne jeden einzelnen Zeh ab, als hinge mein Leben davon ab.
»Nun, ich war mir sicher, Sie gesehen zu haben. Gut, es war dunkel.« Sie hält eine Millisekunde inne – gerade lange genug für mich, um dankbar einzuatmen und mich gleich darauf fast zu verschlucken, als sie hinzufügt: »Ich
sagte zu meiner Freundin Gwenda: ›Das ist doch Kate vom Schwimmen – ich kenne diesen Wagen.‹«
»Das kann nicht mein Wagen gewesen sein.« Gott, warum hält diese dumme Person nicht einfach die Klappe und geht nach Hause? »Es sei denn, jemand hätte ihn ohne mein Wissen ausgeborgt.« Der Versuch zu einem Scherz – vielleicht würde ihr das den Wind aus den Segeln nehmen.
Marjorie hat ihre Jacke angezogen und den Reißverschluss ihrer Tasche geschlossen, macht aber noch keine Anstalten zu gehen. »Ist das nicht seltsam? Als Gwenda mir die Tür aufmachte, sagte sie: ›Das muss ein Zivilfahrzeug der Polizei sein, Marjorie. Da sitzt schon seit fast einer halben Stunde jemand drin. Sie müssen eines der Häuser beobachten.‹«
»Das wird es gewesen sein«, stimme ich zu. »Vermutlich war es die Polizei.«
»Oh, das glaube ich nicht – nicht in der Menlove Avenue. Das ist eine so nette Straße.«
Retter kommen manchmal in seltsamster Verkleidung: Pam und Marjorie bilden eine Fahrgemeinschaft, und heute ist Pam mit Fahren an der Reihe. Sie hat mittlerweile ihre Toilette beendet, ist bereit für den Bridge-Klub oder womit auch immer die beiden Damen sich heute Vormittag zu beschäftigen gedenken, und steht ziemlich demonstrativ an der Tür des Umkleideraums. Gute Manieren halten Marjorie davon ab, sie noch länger warten zu lassen. Erst nachdem die beiden gegangen sind, fällt mir auf, dass die Hintergrundmusik noch immer dudelt – wieder Musicalhits – Elaine Page schmettert Don’t Cry For Me, Argentina . Ich wünschte, sie würde ebenfalls die Klappe halten.
9
Der Abend, als die Vase zerbrach, markierte den ersten offenkundigen Bruch in unserer kleinen Gruppe. Bis dahin war es uns allen gelungen, richtigen Streitigkeiten auszuweichen. Wie Kinder, die fest entschlossen sind, auf einer Geburtstagsparty ihre besten Manieren an den Tag zu legen, wollte keiner von uns Ärger machen und »die Stimmung verderben«; und bis dahin hatten wir auch sorgfältig darauf geachtet, auftretende Unstimmigkeiten sofort zu entkräften, indem wir einen Rückzieher oder einen Witz machten. Nur haben leider selbst die besten Partymanieren eine begrenzte Lebensspanne.
Ich war wegen der Entscheidung, eine Séance abzuhalten, in heller Aufregung, und der Anblick von Trudie, wie sie um Danny herumschwänzelte, als sie die Teller am Ende unserer Mahlzeit einsammelte, brachte mich noch mehr auf die Palme. Schweigend folgte ich ihr in die Küche. In der Regel machten wir uns keine Mühe mit Nachtisch, doch früher am Tag hatte ich beim Einkaufen eine Packung Vanilleeis mitgenommen, die ich nun aus dem Kühlschrank holen wollte, während Trudie das Geschirr abstellte. Sobald ich den Kühlschrank öffnete, sah ich, dass das Eis auf das Gitter statt ins Eisfach gelegt worden
war. Aus der Packung waren bereits dicke Kleckse Vanilleeis ausgetreten, die auf die darunterliegenden Lebensmittel tropften.
»Trudie, du Idiotin, du hättest das Eis ins Eisfach stellen müssen.«
»Ich habe das Eis nicht eingeräumt.«
»Tja, ich auch nicht.«
»Reg dich ab. Das schmeckt auch so.«
»Von wegen. Es ist total zerlaufen.«
Simon kam herein. »Was ist denn los?«
»Trudie hat das Eis auf das Gitter statt ins Eisfach gelegt«, sagte ich anklagend.
»Das war ich nicht«, wiederholte Trudie.
»… und jetzt ist es völlig ungenießbar.«
Simon griff nach einer Flasche Bier und öffnete sie mit einer schwungvollen Bewegung. »Das ist doch kein Weltuntergang.«
»Aber eine irre Geldverschwendung«, wandte ich ein.
»Nun, es ist ja nicht nur dein Geld, oder?«, entgegnete Simon mit ungewohnter Schärfe. »Und ich glaube auch nicht, dass Trudie das Eis ins Fach gestellt hat.«
Im ersten Moment war ich so verdutzt, dass mir die Worte fehlten. Trudie war mit dem schmutzigen Geschirr beschäftigt, und Simon öffnete eine zweite Flasche Bier. Beide standen mit dem Rücken zu mir.
»Aber Trudie hat die Einkaufstaschen
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