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Was im Dunkeln liegt

Was im Dunkeln liegt

Titel: Was im Dunkeln liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Janes
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lediglich eines Telefonanrufs oder eines Klopfens an der Tür bedürfte. Bis vor einigen Tagen bin ich hier, wie ich glaube, noch niemals aufgefallen. Für jeden vorbeigehenden Passanten bin ich einfach nur eine Frau, die im Wagen wartet. Ich parke nicht immer an derselben Stelle und sehe wohl auch nicht wie ein Stalker aus  –  keine
Skimaske oder Nachtsichtbrille –, nur wie eine ganz gewöhnliche Frau, die während des Wartens alt geworden ist. Und welchen Schaden können meine Besuche anrichten, solange niemand etwas davon weiß?
    Vielleicht können Geheimnisse jeden von uns zum Stalker machen. Es heißt, Wissen sei Macht, doch Geheimnisse sind noch machtvoller; sie ziehen uns an, halten uns in ihrem stählernen Griff gefangen. Auch wenn die Jahre verstreichen, kann man sich niemals wirklich befreien, weil Geheimnisse ein Eigenleben führen und dazu neigen, sich ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu drängen. Die Gefahr ist immer gegeben, dass ein Geheimnis auf die eine oder andere Weise einen Weg hinaus findet.

21
    Auf den Schrei folgten eine Menge anderer Geräusche. Ein Rascheln und Poltern, als würde jemand rennen oder hinfallen. Dann Stimmen  –  ich hörte, wie Simon unsere Namen rief: »Trudie« und »Katy«, in dieser Reihenfolge. Ich war nicht in der Lage, ihm zu antworten. Ich war in eine kauernde Position gesunken. Hatte Angst, mich zu bewegen. Angst zu atmen. Für einen Moment herrschte wieder Stille  –  dann vernahm ich Dannys Stimme. »Si. Si, wo bist du? Katy …« Er schrie mehrmals meinen Namen: »Katy … Katy …«
    »Ich bin hier.« Als ich mich aufrichtete, sah ich einen Lichtfleck auf mich zukommen, der zwischen den Bäumen immer wieder aufblitzte und verschwand. Ich rief abermals, und die Taschenlampe vollführte einen weiten Bogen, beleuchtete Bäume, Gräser und schließlich mich.
    »Ich komme.« Ich steuerte auf die Gestalt hinter dem Licht zu, ohne auf die Kratzer und Blessuren zu achten, die ich mir dabei zufügte. Als ich Danny erreichte und gegen ihn stolperte, tauchte Simon atemlos aus der Dunkelheit auf. »Meine Taschenlampe hat wieder schlappgemacht. Wo ist Trudie?«
    »Keine Ahnung.« Dannys Stimme war angespannt. »Hast du geschrien, Katy? Warst du das?«

    »Nein«, sagte ich. »Ich war das nicht.«
    »Es muss Trudie gewesen sein«, sagte Simon. »Wo, zum Teufel, steckt sie?« Er brüllte erneut: »Trudie  –  Trudie!«
    Eine Windbö ließ das Laubdach über uns erzittern.
    »Scheiße«, zischte Danny. »Was ist mit ihr passiert?«
    »Sie wollte zum Spielplatz«, erinnerte ich die beiden.
    »Der kann nicht weit von hier entfernt sein«, sagte Simon. »Warum hört sie uns nicht? Trudie  –  TRUDIE!«
    »Vielleicht ist das wieder eines ihrer dummen Spiele«, sagte Danny  –  doch es klang nicht sehr überzeugt.
    »Wir sollten zum Spielplatz gehen«, sagte Simon.
    »Haken wir uns unter«, schlug Danny vor. »Damit wir nicht wieder getrennt werden.«
    Wir folgten seinem Vorschlag; ich in der Mitte, Danny zu meiner Linken und mit der Taschenlampe den Weg ausleuchtend, Simon zu meiner Rechten  –  ich kam mir vor wie Dorothy auf dem Weg zum Zauberer von Oz, flankiert vom Blechmann und der Vogelscheuche.
    In einer knappen Minute gelangten wir an den Ort, den wir als Spielplatz bezeichneten. Aus irgendeinem Grund blieben wir alle abrupt stehen, sobald die improvisierte Wippe im Lichtkegel von Dannys Taschenlampe auftauchte. Danny ließ den Lichtstrahl über die Lichtung gleiten, erhellte die vertrauten Umrisse der abgesägten Baumstämme und des Schwingseils.
    Dann fiel der Lichtstrahl auf Trudies Rock. Das war es, was wir als Erstes sahen  –  ihren Rock, der sich auf dem Boden bauschte, als sei sie zwischen Stehen und Sitzen erstarrt. Als Danny den Strahl nach oben bewegte, sahen wir auch den Rest von ihr. Ihr Rücken war uns zugewandt, und ihre Hände hingen schlaff an den Seiten herab. Von den Schultern abwärts sackte ihr Körper unnatürlich
nach unten. Ihr Kopf baumelte nach vorne, hing in dem netzartigen Gewirr aus Seilen, Draht und alten Wäscheleinen fest, die als Klettergerüst zwischen den beiden Bäumen gespannt waren. Jeder von uns dreien gab irgendeinen unartikulierten Laut von sich  –  es gab keine Sprache, die diesen Moment in Worte hätte fassen können.
    Danny reagierte als Erster. »Schnell«, sagte er. »Katy  – du hältst die Taschenlampe.« Er schob sie in meine Hand und rannte mit Simon an seiner Seite auf die

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