Was im Dunkeln liegt
nur, wie es aussieht. Angenommen, die
Polizei beschuldigt Katy, Trudie getötet zu haben. Was dann?«
»Dann werde ich sagen, dass ich es nicht war«, rief ich hysterisch. »Warum versuchst du, mir die Schuld zuzuschieben?«
»Es spielt keine Rolle, ob du es getan hast oder nicht – die Frage ist, ob die Polizei dich für den Täter halten wird. Wir können dir kein Alibi geben.«
»Und ich euch genauso wenig.«
»Richtig«, warf Danny ein. »Und wir werden bis zum Hals in der Scheiße stecken, wenn sie eine Verbindung zu Rachel Hewitt herstellen. Also sollten wir alle lieber wieder runterkommen und aufhören, mit albernen Anschuldigungen um uns zu werfen.«
»Meint ihr nicht …« Ich stockte. »Meint ihr nicht, sie könnte sich absichtlich erhängt haben?«
»Das«, erwiderte Simon verächtlich, »ist die blödeste Bemerkung, die du bis jetzt von dir gegeben hast.«
»Wir müssen die Polizei verständigen«, sagte ich – aber in meinem Ton schwang wenig Überzeugung.
»Nicht unbedingt«, erwiderte Danny.
»Wir können sie doch nicht einfach hier liegen lassen, bis jemand sie findet«, wandte ich ein.
»Natürlich nicht«, sagte Simon. »Dann würde die Polizei als Erstes im Haus auftauchen und Fragen stellen.«
»Wer weiß, dass Trudie hier gewohnt hat?«, warf Danny unvermittelt ein. »Niemand. Ihre Familie nicht, ihre Freunde nicht – wenn jemand sie vermisst, wird keiner sie hier bei uns suchen.«
»Sie wird bereits gesucht«, sagte Simon. »Sie ist vor zwei Monaten von zu Hause abgehauen.«
Verblüfft sah ich ihn an. Ich hatte geglaubt, ich sei die Einzige, die das wusste.
»Aber bisher hat niemand bei uns an der Tür geklopft und nach ihr gefragt, stimmt’s?«, sagte Danny.
Simon wählte seine Worte mit Bedacht. »Wenn wir versuchen, die Sache zu vertuschen, und jemand dahinterkommt, wird man glauben, wir hätten sie umgebracht.«
»Also müssen wir dafür sorgen, dass niemand dahinterkommt«, erklärte Danny.
»Was soll dieses dumme Gewäsch?«, fragte ich. »Ihr scheint nicht zu wissen, was ihr da sagt. Wir sprechen über Trudie – unsere Freundin Trudie.«
Ich schwankte leicht und musste mich Hilfe suchend an Dannys Arm festhalten. In meinem Kopf explodierte ein Feuerwerk, blau und silbern. Während wir dort standen, wanderte mein Blick immer wieder zu dem Kleiderbündel, das nur wenige Zentimeter von meinen Füßen entfernt lag. Ich wusste, sie war tot, konnte es aber nicht fassen. Ich erwartete ständig, sie würde sich bewegen – sich aufsetzen, Dannys Pullover vom Gesicht reißen und rufen: »Überraschung!«
»Wir müssten sie den ganzen Weg zurücktragen«, sagte Simon nachdenklich. Offenbar wägte er die Vor- und Nachteile gegeneinander ab, kalkulierte alles genau. Die blauen und silbernen Blitze wurden greller, blendender.
»Wir haben morgen den ganzen Tag«, sagte Danny, »bevor der Typ zum Betonieren kommt.«
In meinem Kopf drehte sich alles. »Das könnt ihr nicht machen«, flüsterte ich. »Das könnt ihr nicht machen.«
»Die Alternative wäre womöglich, dass einer von uns jahrelang für eine Tat, die er nicht begangen hat, in den
Knast wandert.« Danny nahm mir die Taschenlampe aus der Hand und leuchtete damit über den Boden, als würde er etwas suchen. »So ist es das Beste, Katy.« Er redete in einem sanften Ton mit mir, wie man ihn anschlägt, wenn man einem verstörten Kind etwas erklären möchte. »Was immer wir jetzt tun, wir können Trudie nicht zurückholen. Das ist wirklich die beste Lösung. Simon sieht das genauso.«
Zwei gegen eine. Angewandte Demokratie. Granaten zischten und knallten in meinen Ohren. Meine Knie sackten ein, und wild schluchzend sank ich neben Trudie zu Boden, vergrub mein Gesicht in den eisigen Falten ihres Rocks.
22
Eine Leiche ist eine unhandliche, schwere Last. Danny und Simon brauchten jeweils beide Hände, um Trudie zu tragen, und so fiel mir die Aufgabe der Taschenlampenträgerin zu. Ich ging voraus, versuchte aus meinen Gedanken das Bild dessen zu verbannen, was da hinter mir war. Niemand redete, nur hin und wieder stieß einer der beiden Jungs einen leisen Fluch aus, wenn sie ins Stolpern gerieten oder ihre Last sich irgendwo verhakte. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis wir den Wald hinter uns gelassen hatten und danach auf dem ansteigenden Pfad durch die Felder weiterwankten. Trudies Haar und Kleidung streiften über das Gras, erzeugten ein gleichmäßiges Rascheln als Begleitung zu dem
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