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Was im Dunkeln liegt

Was im Dunkeln liegt

Titel: Was im Dunkeln liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Janes
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Lichtung zu. Ich folgte ihnen, und das Licht in meiner Hand zitterte, als sie das Gewirr zu untersuchen begannen, von dem Trudie herabhing.
    »Ich glaube, sie ist tot«, sagte Simon.
    »Nein!« Die Art, wie Trudie dort baumelte, ließ eigentlich keinen Zweifel zu, dennoch wollte ich es nicht glauben.
    »Das kann nicht sein«, sagte Danny. »Lass uns versuchen, sie hochzuheben. Wir müssen sie da rauskriegen.« Er fummelte an den Seilen und Drähten herum, schaffte es, ein paar Stränge zu entwirren, sodass Trudies Körper ihm entgegenfiel, während gleichzeitig irgendetwas mit einem hörbaren Knirschen zerbrach und nur noch der Schal in dem Netz zurückblieb, der um ein einzelnes Drahtstück gewickelt war. Simon löste ihn, und Danny senkte Trudie vorsichtig auf den Boden; ging dabei einen Schritt zurück und trat auf etwas. Automatisch bückte er sich, um den Gegenstand aufzuheben. Es war die kleine Taschenlampe. Sie war noch angeknipst, doch Gehäuse und Lämpchen waren kaputt.
    In der Zwischenzeit hatte sich Simon neben Trudie hingekniet und legte nun das Ohr auf ihre Brust. »Sie atmet nicht«, sagte er. Er nahm ihre Hand, massierte sie fieberhaft und ließ sie dann wieder fallen.

    »Was ist mit Mund-zu-Mund-Beatmung?« Es war unübersehbar, dass Danny sich an jeden Strohhalm klammerte. »Versuch, ihren Schal zu lockern.«
    Simon richtete sich auf. »Sie ist tot«, wiederholte er, noch immer mit einem Hauch von Ungläubigkeit in der Stimme.
    »Das kann nicht sein.«
    »Doch, Mann.« Simon legte ihm kurz die Hand auf die Schulter. »Wir müssen Hilfe holen. Mit dem Auto.«
    »Richtig.« Danny nickte. »Einen Arzt  –  nein, die Polizei  –  aber wir können sie nicht einfach hier liegen lassen, so ganz allein.«
    Benommen stand ich zwischen den beiden, umklammerte unsere einzig verbliebene Taschenlampe, als hinge mein Leben davon ab. Nicht zu Trudie hinblicken. Nicht zu Trudie hinblicken. Nicht ihren zerknitterten Rock ansehen, ihre bleichen Hände. Nicht ihr verzerrtes Gesicht betrachten.
    Etwa eine Minute standen wir schweigend da. Unausgesprochen hing die Frage zwischen uns, wer allein durch den Wald zurückgehen oder allein bei Trudie bleiben würde. Unsere Gruppe war nicht mehr in zwei Paare teilbar, und wir hatten nur noch eine Taschenlampe zur Verfügung.
    »Bitte«, wisperte ich. »Können wir bitte ihr Gesicht zudecken.«
    Wortlos zog Danny seinen Pullover über den Kopf und kam meiner Bitte nach.
    »Die Polizei«, sagte Simon, als habe er noch niemals von so einer Organisation gehört und spräche das Wort nur aus, um zu prüfen, wie es klang. Ein neuer Gedanke kam ihm. »Wir hätten sie nicht bewegen dürfen. Alles
hätte genau so bleiben müssen, wie wir es vorgefunden haben.«
    »Wir konnten sie ja nicht einfach dort hängen lassen«, rief Danny wütend aus.
    »Aber die werden rekonstruieren wollen, was passiert ist.«
    »Das liegt ja wohl auf der Hand«, sagte Danny. »Sie hat ihre Taschenlampe fallen lassen und sich in der Dunkelheit in diesen Drähten verfangen. Es war ein Unfall  – vielleicht ist ihr die Taschenlampe entglitten, als sie stolperte und in diese verfluchten Drahtschlingen fiel.« Er schlug mit der Faust in das verbliebene Gewirr aus Drähten und Seilen. Es schien seine Hand einen Moment lang festzuhalten, schien sich zu weigern, sie freizugeben. Eine spontane Neuinszenierung von Trudies Schicksal. Ich stellte mir vor, wie sie, gleich einem in einem Spinnennetz gefangenen Insekt, verzweifelt in der Dunkelheit um ihr Leben kämpfte, in die falsche Richtung zog und dadurch die Schlinge um ihren Hals noch fester zuschnürte. Ich erschauderte. Danny bekam seine Hand frei und saugte an den Knöcheln, wo ihm ein Stück Draht die Haut aufgeritzt hatte.
    »Scheiße!«, brüllte Simon unvermittelt. »Scheiße, scheiße, scheiße.« Er drehte sich von uns weg und ging ein paar Schritte in die Dunkelheit, ehe er zurückkehrte, um sich erneut an dieselbe Stelle wie vorher zu stellen. Irgendwo in der Ferne schrie eine Eule, spottete über unsere Notlage.
    »Okay.« Simon sprach langsam und bedächtig. »Angenommen, die Polizei glaubt nicht an einen Unfall. Was dann?«
    »Was willst du damit sagen?«, fragte Danny.
    »Wie sollen wir erklären, was wir hier gemacht haben?
Wie sollen wir erklären, dass wir getrennt wurden und Trudie schließlich völlig allein war? Und sieht das überhaupt wie ein Unfall aus? Kann Trudie tatsächlich mitten in dieses Drahtgewirr gelaufen sein, und zwar

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