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Was ist Demokratie

Was ist Demokratie

Titel: Was ist Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Nolte
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Industriearbeiterschaft verankerten, war die englische Arbeiterschaft bereits früh ein politischer Faktor – und ihre politische Beteiligung ein Schreckbild auch mancher gemäßigt-liberaler Reformer.
    Entscheidend aber blieb, wie die Nachwirkung bis 1948 unterstreicht, die spezifische Auffassung von Repräsentation. Seit 1832 trugen alle Reformgesetze den offiziellen Titel «Representation of the People Act». Es war aber nicht das «Volk» im politischen Sinne der Französischen Revolution oder des amerikanischen «We, the People» von 1787, das damit gemeint war. Gemeint war eher die «Bevölkerung», die in den städtischen und ländlichen Bezirken, den «constituencies», repräsentiert sein sollte, nicht aber als individuelle Staatsbürger eines demokratisch-politischen Volkes. Mit anderen Worten: England gelangte zur Demokratie, ohne sich eigentlich auf das Prinzip der «Volkssouveränität» Kontinentaleuropas und Amerikas einzulassen.
5 Sklaverei, Union, Demokratie:
Der amerikanische Bürgerkrieg
    Am 12. April 1861 begann der Amerikanische Bürgerkrieg, als Truppen der «Konföderierten Staaten von Amerika» das im Hafen von Charleston gelegene Fort Sumter, einen Stützpunkt der Unionstruppen, angriffen und der neugewählte Präsident, Abraham Lincoln, das nicht hinnehmen wollte. Kurz nach der Wahl des Republikaners Lincoln, aber noch vor seiner Amtseinführung hatten sieben Staaten des Südens unter Führung von South Carolina ihren Austritt aus der Union erklärt und die «Confederate States of America» gegründet; nach dem Beginn des Krieges kamen weitere vier Staaten dazu. So ging es in dem vier Jahre, bis April 1865 dauernden Bürgerkrieg zunächst einmal um die Bewahrung oder Wiederherstellung der Union. Dahinter stand eine grundsätzliche Frage über den Charakter dieser Union, der nationalen Staatsgründung von 1787: War sie ein Bündnis souveräner Staaten, das man auch wieder verlassen konnte – so die Position des Südens –, oder handelte es sich um eine Schöpfung aus der Volkssouveränität, die eine unteilbare Nation im Zeichen der Freiheit geschaffen hatte? Das war die Auffassung des Nordens, schon seit vielen Jahrzehnten, denn der Streit zwischen Nord und Süd hatte sich bereits um 1830 immer mehr zugespitzt, und bereits damals hatte Daniel Webster, ein einflussreicher und sprachgewaltiger Senator aus Massachusetts, den südlichen Vertretern der «Staatenrechte» entgegengeschleudert: «Liberty
and
Union, now and forever, one and inseparable!»
    Insofern war die Bewahrung der Union nie nur ein «technisches» Problem, sondern unlösbar mit dem Selbstverständnis und dem Auftrag der Freiheit verknüpft. Unter dieser Freiheit konnte man sehr Unterschiedliches verstehen, aber in den 1850er Jahren, im Jahrzehnt vor dem Bürgerkrieg, hatten sich die konkurrierenden Vorstellungen von Freiheit wiederum untrennbar mit der Zukunft der Sklaverei verbunden. Die politischen Eliten in den Südstaaten, die sklavenhaltenden Besitzer von Baumwoll- oder Reisplantagen verstanden unter Freiheit die Selbstbestimmung über ihre herkömmliche Lebens- und Wirtschaftsweise, unter Einschluss der persönlichen Unfreiheit von vier Millionen afrikanischstämmigen Männern, Frauen und Kindern. Die Mehrheit im Norden dagegen – nördlich der Grenze zwischen Maryland und Pennsylvania – begriff die Sklaverei immer mehr als einen Makel dergesamten Nation und als Inbegriff für eine eklatante Verletzung der Freiheit, der nicht nur in den neu aufgenommenen Staaten weiter im Westen ein Riegel vorgeschoben werden müsse, sondern auch in ihren Bastionen im Südosten, an der Atlantikküste, wo die Geschichte der Sklaverei bereits in das frühe 17. Jahrhundert zurückreichte. So kann man den Bürgerkrieg auch als Auseinandersetzung über die Sklaverei lesen. Ob es dem Norden zuerst um die Bewahrung der Union oder um die Abschaffung der Sklaverei gegangen sei, darüber ist eine Zeitlang viel gestritten worden. Lincoln selber hat einmal gesagt, er würde die Union zu retten versuchen, ob dabei am Ende alle oder keine Sklaven befreit würden. Heute würde man eher sagen, dass sich beides nicht trennen ließ; die Bedeutung der Auseinandersetzung um die Sklaverei wird insgesamt wieder stärker betont. Aber wo immer man den Schwerpunkt

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