Was ist Demokratie
prinzipiell wichtig wie bis heute aktuell ist,genauso wie die Frage nach dem Verhältnis von Bundes- und Einzelstaaten in einem föderalen System. Wenn man die Geschichte der Demokratie nicht als eine Autobahn versteht, die geradewegs zu einem lang angekündigten Fernziel führt, lässt sich der Konflikt des Bürgerkriegs als ein Streit um unterschiedliche Konzeptionen der Demokratie verstehen. Freilich hatte die Demokratiekonzeption von Männern wie Calhoun ein entscheidendes Manko, das man durchaus schon damals benennen konnte: Sie ignorierte oder unterschätzte die Bedeutung der persönlichen Freiheit für die Demokratie und der Gleichheit aller Menschen in dieser Freiheit. So erwies sich dieser Weg als Sackgasse.
Historisch kam er an ein Ende, weil die Union ihre von vornherein überlegenen Ressourcen an Bevölkerung und Wirtschaftskraft seit 1862 zunehmend auch in militärische Erfolge ummünzen konnte. Auch während des Krieges trat die Frage der Sklaverei nicht in den Hintergrund, wenn sie sich auch öfters mit strategischen Ãberlegungen verknüpfte â schlieÃlich konnte die Befreiung der Sklaven den Süden schwächen und den Unionstruppen sogar wertvolle neue Soldaten zuführen. Deshalb erlieà Lincoln mitten im Krieg zunächst eine provisorische, dann eine endgültige Emanzipationserklärung (22. September 1862 und 1. Januar 1863). In einer Ansprache auf dem Schlachtfeld von Gettysburg in Pennsylvania, in der Ehrung der Gefallenen einer der blutigsten Schlachten des Bürgerkrieges, erinnerte er am 19. November 1863 an den Zweck des Krieges: eine Wiedergeburt der Nation in Freiheit. Darin steckte viel Pathos, doch auch hier war mit der Freiheit sehr konkret eine Gesellschaft jenseits der Sklaverei gemeint. Und Lincoln verknüpfte diesen Auftrag mit einem Bekenntnis zur Demokratie in der Form einer bündigen Definition, die bis heute als eine der knappsten und klarsten Bestimmungen von Demokratie als Regierungsform Bestand hat: «government of the people, by the people, for the people» â also die Regierung aus dem Volk, durch das Volk und für das Volk. Politikwissenschaftler würden sagen, dass er damit den Anspruch der Demokratie in ihrer Legitimation (oder dem Herrschaftsgrund), in ihrem Verfahren und in ihrem Zweck erfasst hatte. Damit war auch gemeint, dass sich keine dieser drei Säulen herausbrechen lässt: Eine Regierung, die noch so Gutes «für» die Bevölkerung tut, ist keine Demokratie, sondern vielleicht â in heutigen Begriffen â eine Fürsorgediktatur.
Nach dem Ende des Bürgerkrieges zeigte sich rasch, dass die Wiederherstellung der Union gegen die innerlich widerstrebenden Südstaatenimmer noch massiven Drucks und militärischer Präsenz bedurfte. Die Aufhebung der Sklaverei führte die Afro-Amerikaner im Süden keineswegs automatisch in eine Freiheit der ökonomischen Subsistenz oder der selbstbestimmten Lebensführung. Häufig blieb die Abhängigkeit von dem früheren Herrn und Eigentümer bestehen, weil eine andere Behausung als die früheren Sklavenhütten nicht zur Verfügung stand und das Land nun in Pacht bearbeitet wurde, oft zu einschnürenden Bedingungen, die der Gutsbesitzer diktieren konnte. Rassismus in den weiÃen Köpfen verschwand nicht, sondern nahm jetzt erst recht zu. Dennoch sollte man den Einschnitt und den demokratischen Gewinn nicht gering schätzen, auch für den Lebensalltag nicht, aus dem unmittelbare physische Gewalt und Unterdrückung verschwanden. Den rechtlich-politischen Ertrag hielten drei neue Zusatzartikel zur Bundesverfassung fest, die zwischen 1865 und 1870 in Kraft traten und wie ein Stufenbau der persönlichen und politischen Freiheit angelegt waren: Zunächst verbot das 13. Amendment Sklaverei und unfreiwillige Knechtschaft, legte also den Grundstein der persönlichen Freiheit. Knapp drei Jahre später garantierte der 14. Zusatz den früheren Sklaven ihren Status als Staatsbürger und legte für die parlamentarische Repräsentation die Gesamtbevölkerung zugrunde. Bisher hatten Sklaven ja nur drei Fünftel gezählt, ohne wählen zu dürfen. Dieses Recht bekräftigte das 15. Amendment, das im Februar 1870 in Kraft trat und den Ausschluss vom Wahlrecht auf der Grundlage von «Rasse, Hautfarbe oder früherer Unfreiheit» verbot. Darüber gab es auch im Norden
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