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Was ist Demokratie

Was ist Demokratie

Titel: Was ist Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Nolte
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Herrschaft des Volkes) beschrieben, sondern mit ihrem Wort für Gesetz und Ordnung, «nomos». Davon leitete sich der Begriff «Eunomie» ab: die gute Ordnung, deren Vorzug vor allem in ihrer Stabilität und Ausgewogenheit gesehen wurde, nicht in einer möglichst breiten Bürgerbeteiligung. Die Normalität der guten Ordnung war einearistokratische, in der eine Minderheit von bevorrechtigten oder reichen Männern die politischen Geschäfte führte und Entscheidungen traf. In einer Tyrannis dagegen, in der Alleinherrschaft eines Mannes, geriet die gute Ordnung auch schon für die vordemokratischen Athener aus den Fugen. Für den Übergang zur Demokratie spielte ein anderer Begriff eine entscheidende Rolle, der sich etwa um das Jahr 500 als Leitbild etablierte: die «Isonomie», was übersetzt etwa Gleichordnung, oder Ordnung der (untereinander) Gleichen, bedeutet. Insofern führte der Weg in die Demokratie nicht zuerst über den Gedanken der individuellen Freiheit wie in der modernen Variante seit dem 18.Jahrhundert, sondern über die Idee der Gleichheit. Mit ihr war freilich keine soziale bzw. sozialökonomische Gleichheit gemeint, sondern eine staatsbürgerliche Gleichberechtigung. Isonomie bezeichnete eine Ordnung, in der alle Bürger auf prinzipiell gleiche Weise in die Regelung der politischen Angelegenheiten einbezogen waren; oft wurde das Wort nahezu synonym mit Demokratie benutzt. Spät, seit der Mitte des 4. Jahrhunderts, kam der Begriff der «politeia» auf, gelegentlich deutsch als «Politie» übertragen, und bezeichnete eine gute und verfassungsmäßige Ordnung, die eine Demokratie sein konnte oder – wie bei Aristoteles – eher eine Mischung aus ihr und einer Aristokratie, weil er der reinen Volksherrschaft misstraute.
    Von Demokratie sprach man schon einige Jahrzehnte früher viel häufiger, besonders nach dem Ausgang aus den Krisen und Oligarchien am Ende des Konflikts mit Sparta. Während die athenische Verfassung nun einerseits hochgeschätzt wurde, traten auch skeptische und kritische Stimmen auf den Plan, die in wichtigen schriftlichen Quellen, vor allem in der politischen Philosophie des klassischen Athen, sogar überwiegen. Das Bewusstsein von der Demokratie mündete also auch in einen Streit über sie, zumindest in Uneinigkeit. In den Schriften des Aristoteles wie der «Politik» erschien Demokratie als eine Verfassungsform unter vielen, die man nach der Anzahl der Herrschenden in einem Dreier-Schema anordnete. Es konnte einer herrschen oder wenige – nämlich der Adel – oder alle: Das ergab Monarchie, Aristokratie (wörtlich: die Herrschaft der Besten) und Demokratie. Dabei eignete dem Wort «demos» schon damals eine Doppelbedeutung, die sich zum Teil bis in unsere Zeit erhalten hat. Es konnte nämlich das «Volk» im Sinne aller bedeuten, das heißt: der Gesamtheit der vollberechtigten Bürger. Es konnte aber auch die Nicht-Adligen oder die ärmeren Bürger meinen; dann ging die Bedeutung von Demokratie in die Richtung einer«Pöbelherrschaft», jedenfalls aus der Perspektive der Adligen, Reichen und Gebildeten gesehen. Das entsprach zumal für Aristoteles nicht dem Ideal einer guten Ordnung, die sich durch Ausgewogenheit, durch das Finden der richtigen Mitte zwischen den politischen, aber eben auch den sozialen Extremen von Arm und Reich auszeichnete.
    Wieder etwas positiver stand die Demokratie da, wenn sie (mit Monarchie und Aristokratie) den drei «guten» Verfassungen zugeordnet wurde, denen jeweils eine schlechte oder «entartete» Form gegenüberstand, nämlich die Tyrannis, die Oligarchie – bis heute Bezeichnung für eine schlechte Form der Cliquenherrschaft! – und die «Ochlokratie» als ein ungezügeltes Pöbelregime. Aber obwohl ihre eigene Demokratie historisch auf Königs- und Adelsherrschaft gefolgt war, verfügten die Griechen nicht über eine Vorstellung der linearen Entwicklung von Herrschaft, wie sie modernen Menschen in Fleisch und Blut übergegangen ist. Die Demokratie war kein Fortschritt gegenüber dem Königtum; man dachte eher in Zyklen von Aufstieg, Verfall und Wiederkehr. Einen Idealzustand gab es als Fernziel der Geschichte ohnehin nicht. Die ideale Verfassung sahen die Griechen häufig in einer Mischung aus den drei «reinen» Verfassungsformen, in der Verbindung von monarchischen,

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