Was ist Demokratie
Monarchie im aufgeklärten Absolutismus handelte. Den Stern der Demokratie sah auch Weber sinken, denn angesichts des bürokratisch-kapitalistischen «Gehäuses der Hörigkeit» könne man über die alte bürgerliche Furcht vor zu viel Demokratie nur «lächeln». Wie konnte man «Reste von Individualität und Bewegungsfreiheit» wahren? «Wie wird Demokratie auch nur in diesem beschränkten Sinne
überhaupt möglich
sein?» Es war also eine Art Obsession mit der eigenen Gefangenschaft und Unfreiheit, die der Demokratie ein schlechtes Zeugnis ausstellte, noch bevor die Weimarer Republik überhaupt ins Leben gerufen war.
Die Vorstellung, Demokratie und ideologisch-politische Unterschiede lösten sich zunehmend in die Frage nach (guter) Verwaltung auf, wirkte seitdem immer wieder in der Politikwissenschaft und Ãffentlichkeit nach. In den 1960er Jahren erlebte die Vorstellung von einer überpolitischen «Technokratie» eine neue Konjunktur, und «Konvergenztheorien» prophezeiten eine schleichende Annäherung der politischen Systeme von USA und Sowjetunion, der beiden ideologischen Kontrahenten des Kalten Krieges. Heute schwingt eine ähnliche Vorstellung manchmalin dem Konzept der «good governance» mit, eines «guten Regierens», für das die Einhaltung ethischer Mindeststandards oder die Erreichung bestimmter Versorgungsziele an erster Stelle stehen.
Jenseits verschiedener Mischformen und Grauzonen von vermeintlich unpolitischer Verwaltung in der Massengesellschaft aber stieg die Diktatur in den 1920er Jahren zum klaren und expliziten Gegenentwurf der liberalen Demokratie auf. Sie löste damit Gegenbegriffe ab, die seit dem späten 18.Jahrhundert politisches Denken und Handeln bestimmt hatten. Die Monarchie, ob absolut oder konstitutionell eingehegt, hatte sich mit dem Ersten Weltkrieg als Alternative praktisch erledigt. In Europa jedenfalls zeigte sie entweder als Staatsform ihre Vereinbarkeit mit der Demokratie, wie in GroÃbritannien, oder sie begann eigentümliche Verbindungen und Vermischungen mit einem neuen Typus von autoritärer Herrschaft, eben der Diktatur, einzugehen, wie im italienischen Faschismus oder in Jugoslawien. Wo von «Aristokratie» noch die Rede war, da weniger mit dem Blick auf den Adel â obwohl dessen soziale Stellung und politische Macht gerade in Deutschland durch die Revolution von 1918/19 keineswegs gebrochen war! â, sondern als Bezeichnung für herausgehobene, mehr oder weniger von der Bevölkerung entfernte Führungseliten, also im Grunde: die «politische Klasse». Erhebliche Teile des preuÃischen Adels schalteten ihre Loyalität zwischen 1918 und 1933 vom «König» auf den «Führer» um; eine Minderheit engagierte sich später, teils nach erheblichem Zögern, im Widerstand.
Die Aussicht auf eine Diktatur schien in den 1920er Jahren noch nicht so erschreckend wie heute. Erst aus der konkreten Erfahrung des Nationalsozialismus, von Verfolgung und Massenmord, teils auch aus der parallelen Erfahrung des Stalinismus in der Sowjetunion, entstand jenes Bild der modernen Diktatur als alles umgreifender und kontrollierender, «totaler» Herrschaft, die sich auf Willkür und Entfesselung von Gewalt stützt. Franz Neumanns «Behemoth», Carl Joachim Friedrichs Studien über Demokratie und totalitäre Diktatur, und dann vor allem Hannah Arendts «Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft» haben dafür den Weg gewiesen â allesamt übrigens Werke von Deutschen, die in die USA emigriert waren, und alle in einer relativ kurzen Zeitspanne, im Wesentlichen in den 1940er Jahren, konzipiert und entstanden. In der Staatsrechtslehre und politischen Diskussion nach dem Ersten Weltkrieg jedoch bezeichnete die Diktatur, mit vielen Anklängen an die Geschichte der Römischen Republik, eine begrenzte Phaseder AuÃerkraftsetzung republikanisch-demokratischer Regeln in einer Krise und zu ihrer Ãberwindung. So war der Begriff auch im 19. Jahrhundert zeitweise verwendet worden, oft mit den Anklängen einer Militärdiktatur (womit wiederum noch nicht ein «Junta»-Regime des 20. Jahrhunderts gemeint sein konnte).
Eine der ersten Schriften eines aufstrebenden, gerade 33-jährigen Professors namens Carl Schmitt widmete sich bereits 1921 der Diktatur. Schmitt sprach darin über die «kommissarische Diktatur» â das
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