Was ist Demokratie
auf; das war freilich eher eine Ausnahme, der sonst nur sozialistische Staaten auÃerhalb Europas folgten: die «Demokratischen Volksrepubliken» Koreas (Nordkorea) oder des Jemen (Südjemen). In der Wortverbindung «antifaschistisch-demokratisch» kam diese Interpretation der jüngsten Vergangenheit durch die KPD bzw. seit 1946 die SED besonders konzentriert zum Ausdruck. Die Ãffnung gegenüber den linksorientierten bürgerlichen Kräften war Ausdruck der Erfahrung des Nationalsozialismus und der Erwartung einer neuen, postfaschistischen Konstellation nachbürgerlicher Demokratie, die man für die Anfangszeit der späten 1940er Jahre durchaus ernst nehmen muss.
Andererseits war sie von Anfang an ein taktisches Mittel der Machteroberung und des kommunistischen Führungsanspruches. In diesem Sinne gab Walter Ulbricht schon 1945, als er mit seiner Gruppe aus dem Moskauer Exil zurückkehrte, die Parole vor: «Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.» Sehr schnell wurden «antifaschistisch» und «demokratisch» zu weichzeichnendenSynonymen für «kommunistisch» oder meinten jedenfalls, sich dem festgeschriebenen Führungsanspruch der kommunistischen Partei zu beugen. Auf diese Weise übrigens erhielt der Begriff «antifaschistisch» ein Stigma, von dem er sich bis heute nicht wieder erholt hat. Im Zeichen des Kalten Krieges diente die triumphale Selbstbezeichnung als demokratisch auch der Abgrenzung gegen die «bürgerliche» Demokratie des Westens, die in den 50er Jahren ebenfalls mit pathetischerem Gestus als zuvor auftrat. Manche Sprachregelung wurde konsequent durchzuhalten versucht, etwa die von Ost-Berlin als dem «demokratischen Sektor» der Stadt bzw. später die vom «demokratischen Berlin», auch als die letzten Reste ihrer Glaubwürdigkeit längst erschüttert waren.
Die Mischung von Ãffnung und stalinistischer Orthodoxie prägte auch die Ãbergangszeit in die realsozialistischen Diktaturen bis 1948. Nirgendwo waren die Kommunisten stark genug, um alleine nach der Macht zu greifen, geschweige denn eine Mehrheit in freien Wahlen erwarten zu können. Am breitesten war ihre Anhängerschaft â durchaus der marxistischen Theorie entsprechend â in der Tschechoslowakei, vor allem im tschechischen Staatsteil, der wirtschaftlich und industriell weit entwickelt war. Die kommunistische Bewegung war 1945 tief traumatisiert und hocheuphorisch zugleich â nur in dieser scheinbar paradoxen Mentalität lässt sich ihr Verhalten plausibel rekonstruieren. Die Spaltung der Arbeiterbewegung und die Herrschaft der faschistischen Regime wirkten als doppeltes Trauma. Deshalb war zumal in der älteren Generation das Verlangen nach einer «Wiedervereinigung» mit den Sozialdemokraten in einer sozialistischen Einheitspartei ernst und echt, auch wenn sich das Machtkalkül eines Primats der kommunistischen Kräfte, im Effekt auch Ãberrumpelung, Zwang und Gewalt wie in der Bildung der SED im April 1946, davon nicht trennen lassen. Zugleich sahen die Kommunisten, ihrem Weltbild und ihrer Ideologie entsprechend, nunmehr ihre eigene historische Stunde gekommen. Der Faschismus war besiegt, die bürgerlichen Kräfte hatten sich schon in den 1920er und 1930er Jahren als schwach erwiesen; jetzt sollte sich, mit Hilfe der Sowjetunion, die welthistorische Mission des Fortschritts zum Sozialismus erfüllen. Dass Osteuropa zum gröÃten Teil nicht nur durch die deutsche Besatzung verwüstet, sondern auch wirtschaftlich rückständiges Agrarland war, gekennzeichnet durch Armut und extreme Ungleichheiten, konnte die Attraktivität des Sozialismus durchaus steigern. Vielerorts standen Landreformen ganz oben auf der Agendader Koalitionsregierungen, an denen die Kommunisten seit 1945 beteiligt waren.
So kann man den Ãbergang Osteuropas in die kommunistische Herrschaft auf ähnliche Weise erklären wie den Erfolg der Bolschewisten in Russland seit 1917: mit der Schwäche von liberalen und demokratischen Traditionen, welche die Fortsetzung eines traditionellen Autoritarismus durch eine sozialistische Entwicklungsdiktatur geradezu nahelegten. Für den mitteleuropäischen Teil des entstehenden Sowjetimperiums gilt das jedoch nicht: für die DDR, für die Tschechoslowakei, auch für Polen und für Ungarn â und nicht zufällig brachte diese westliche
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