Was ist Demokratie
USA. Aber auch die mittel- und osteuropäischen Länder, die nach dem Zweiten Weltkrieg in den Einflussbereich der stalinistischen Sowjetuniongelangten und bis 1989 kommunistische Einparteiendiktaturen blieben, haben ihren wichtigen Platz in den Krisen und Konflikten der Demokratie des 20. Jahrhunderts. Zum einen beanspruchten die realsozialistischen Regime selber für sich, demokratisch zu sein, und darin sogar den liberalen Demokratien des Westens überlegen. Worauf beruhte dieser Anspruch; kam er aus ehrlicher Ãberzeugung oder war er bloà taktischer Vorwand? Zweitens löste der Stalinismus 1944/45 nicht unmittelbar, mit dem Rückzug der deutschen Truppen und dem schlieÃlichen Zusammenbruch des Nationalsozialismus, die deutsche Besatzungsherrschaft ab. Bis 1948 â länger aber definitiv nicht â war die politische Situation wenigstens in einem Teil Europas östlich der Elbe umkämpft und umstritten, so dass man diese Ãbergangszeit als Phase einer Verdrängung keimender Demokratie bezeichnen kann; auch als eine neuerliche, sehr folgenreiche Krise der Demokratie im 20. Jahrhundert. Und schlieÃlich traten, von den frühen 50er Jahren bis in die späten 80er Jahre, im kommunistischen Europa immer wieder Menschen für Veränderungen und Reformen, für Unabhängigkeit und Freiheit ein. In den Protesten und Aufständen von Ost-Berlin über Warschau und Budapest bis nach Prag und Danzig artikulierten sie ihre demokratischen Erwartungen, mit denen sie nicht nur Anschluss an den Westen finden, sondern auch neue Horizonte der Demokratie erschlieÃen wollten.
Zunächst nahmen jedoch die kommunistischen und prosowjetischen Kräfte für sich in Anspruch, im Neubeginn ihrer Länder nach Hitlers Herrschaft für Demokratie zu stehen. Gerade in der Ãbergangszeit bis 1949 machten sie von diesem Begriff groÃzügigen und emphatischen Gebrauch; danach blieben Formeln wie die von den «antifaschistisch-demokratischen Kräften» häufig als erstarrtes, rituelles Vokabular erhalten. Diese Prominenz hatte die Sprache der Demokratie weder bei Marx und Engels noch erst recht bei Lenin gehabt; die Sowjetunion und ihre Gliedstaaten wie die «Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik» verzichteten dementsprechend auf diese Selbstbezeichnung in den Staatsnamen. Was war 1945 in der DDR oder in Polen anders? Eine Erklärung liegt in der marxistisch-leninistischen Theorie selber. Die Bezeichnung der neuen sozialistischen Staaten westlich der Sowjetunion als «Volksrepubliken» oder «Volksdemokratien» signalisierte, dass in ihnen die Entwicklung des Sozialismus noch nicht so weit fortgeschritten war wie im Land der «GroÃen Sozialistischen Oktoberrevolution». Eine proletarische Revolution hatte nicht stattgefunden;bürgerliche Kräfte spielten weiterhin eine Rolle; die «Diktatur des Proletariats» war noch nicht errichtet.
Zudem hatte sich die kommunistische Strategie im Zeichen der rechtsextremen Herausforderung der 1930er Jahre verändert. Die «Kommunistische Internationale» (Komintern), die Vereinigung der kommunistischen Parteien unter Führung der KPdSU, betrachtete Sozialdemokraten und aus ihrer Sicht «fortschrittliche» Liberale jetzt als notwendige Bündnispartner, um dem gröÃeren Feind widerstehen zu können. In Frankreich führte Léon Blum ein solches Bündnis, eine «Volksfront» 1936 an die Regierung; auch die spanische Volksfront gewann die Parlamentswahlen im Februar 1936 â Anlass für den Putsch der rechten «Nationalen Front», der in den Bürgerkrieg und schlieÃlich die Franco-Diktatur mündete. Der Begriff der «Volksfront» trat danach wieder in den Hintergrund, lebte aber zum Beispiel in der «Nationalen Front» der DDR fort, dem Bündnis der Parteien und Massenorganisationen, das die Einheitslisten für die sozialistischen Wahlen aufstellte. Insbesondere im Sprachgebrauch der deutschen Kommunisten und der DDR gewann das Adjektiv «demokratisch» eine herausragende Bedeutung, um das Bündnis der vermeintlich progressiven Kräfte, unter Einschluss der Bürgerlichen, zu markieren und von jenem Teil der bürgerlichen Kräfte abzugrenzen, die in der Sicht des Kommunismus Träger und Unterstützer des Faschismus waren. Die «Deutsche Demokratische Republik» nahm das im Herbst 1949 sogar in ihren Staatsnamen
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