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Was ist Demokratie

Was ist Demokratie

Titel: Was ist Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Nolte
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Peripherie immer wieder Proteste und Aufstände gegen die kommunistischen Diktaturen hervor. Vielmehr drängten die Kommunisten die demokratischen Ansätze, wie schwach und unsicher sie in der unmittelbaren Nachkriegssituation auch sein mochten, dort in einer entscheidenden Phase gezielt und mit Mitteln des Betruges und der Gewalt ab, um ihre Vorherrschaft zu installieren und, mit Hilfe der Sowjetunion, stalinistische Regime zu etablieren. Diese Phase lässt sich auf das Jahr 1947 und den Anfang des Jahres 1948 datieren. Nicht nur in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, der späteren DDR, verdichtete sich während dieser Zeit der Herrschaftsanspruch der SED und gingen Freiheiten in der Presse, an Schulen und Universitäten rapide verloren, wurden Gegner des Sozialismus verfolgt und verhaftet.
    Auch in Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei übernahmen die Kommunisten 1947/48 das Ruder. Auf die ersten freien Wahlen von 1945/46 folgten manipulierte Wahlen im folgenden Jahr wie in Polen im Januar und in Ungarn im August 1947; Politiker bürgerlicher oder agrarischer Parteien wurden eingeschüchtert und zur Flucht genötigt wie der Führer der polnischen Bauernpartei, Stanisław Mikołajczyk. Auf Moskauer Druck mussten die mitteleuropäischen Länder die von den Amerikanern (auch nicht ganz uneigennützig) angebotene Marshallplanhilfe ablehnen. In der Tschechoslowakei verhinderten die Kommunisten um Klement Gottwald, ihren besonders stramm stalinistischen Führer, «drohende» freie Wahlen durch einen offenen Putsch im Februar 1948. Staatspräsident Edvard BeneÅ¡ trat zurück, nachdem er sich geweigert hatte, die rasch ausgearbeitete kommunistische Verfassung zu unterzeichnen; der Weg für Gottwald als neuen Präsidenten und ein rein kommunistisches, auf Moskau hörendes Regime war frei. Der Westen war schockiert, aber hilflos; die Fronten im «Kalten Krieg» verhärteten sich, erst recht mit der sowjetischen Blockade West-Berlinsseit dem 24.Juni 1948. Vor der Jahresmitte 1948 war definitiv entschieden, dass die Demokratie in Mittel- und Osteuropa auf absehbare Zeit keine Chance haben würde. Gewiss waren die Rahmenbedingungen denkbar ungünstig – aber es handelte sich zugleich um einen bewussten Zerstörungsakt.
    In den folgenden vier Jahrzehnten spielten demokratische Forderungen in den Protesten und Reformbewegungen eine zentrale Rolle, die seit dem Juni-Aufstand 1953 in Ost-Berlin und anderen Städten der DDR immer wieder den Ostblock erschütterten. Die Beschwerden der Bauarbeiter von der Stalinallee, von Studenten in Prag und Warschau oder Werftarbeitern in Danzig entzündeten sich meist an ganz konkreten Missständen und zielten auf eine Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen. Es ging um Arbeitsnormen und Löhne in Ost-Berlin, um die bessere Versorgung mit Grundnahrungsmitteln wie Fleisch für die polnischen Arbeiter oder um die Stromversorgung in Prager Studentenwohnheimen 1967. Nirgendwo begannen die Proteste mit großflächigen Forderungen nach der Einführung einer repräsentativen Mehrparteiendemokratie oder nach Meinungs-, Presse-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, und die konkreten Probleme waren nicht bloß ein taktischer Vorwand für einen vom Westen abgeschauten Masterplan – mochten die kommunistischen Führungen solche Ängste vor der feindlich inspirierten «Konterrevolution» auch geradezu paranoid beschäftigen. Aber sehr bald trieb die Dynamik des Protests weiter zu Forderungen nach politischer Freiheit. Manchmal geschah das im selben Atemzug, wie in der ironisch-verschmitzten Forderung der im Dunkeln sitzenden Prager Studenten nach «Mehr Licht!», manchmal innerhalb von Stunden, wie die Forderung nach freien Wahlen am 17. Juni 1953 in Ost-Berlin.
    In anderen Fällen tastete man sich über mehrere Wochen an das zuvor Undenkbare, jedenfalls Unaussprechliche wie Pressefreiheit und Mehrparteiensystem heran. Das galt vor allem dort, wo der Anstoß zur Veränderung maßgeblich von Teilen der kommunistischen Führungseliten selber ausging, also im ungarischen Aufstand von 1956 und im Prager Frühling der Tschechoslowakei 1968. Beide begannen als Bewegungen für eine Reform des Sozialismus und weiteten sich im Laufe einiger Wochen zu regelrechten Revolutionen aus, die in beiden Fällen von sowjetischen Panzern niedergeschlagen wurden. Der

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