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Was ist Demokratie

Was ist Demokratie

Titel: Was ist Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Nolte
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Sicherheit zum Ausdruck. Viel spricht dafür, dass sich dieser Unterschied langfristig (aber nicht sehr schnell) abschleifen wird. Im Übrigen können sich die entwickelten Demokratien nach wie vor auf ein sehr hohes Maß der Zustimmung ihrer Bürgerinnen und Bürger stützen. Vor die Wahl zwischen Diktatur und Demokratie gestellt, ist die Entscheidung eindeutig – was historisch, wenn man an das frühe 20. Jahrhundert denkt, keineswegs selbstverständlich ist. Anders als damals denkt der Großteil derjenigen, die Demokratie nicht für die «beste Regierungsform» halten, inzwischen kaum mehr an eine konkrete, überlegene Systemalternative. Eher kommt darin ein Unbehagen über die Schwächen der Demokratie zum Ausdruck, die eine Minderheit höher bewertet als ihre Vorzüge; und mehr noch ein Verlust des Vertrauens in ihre Reformfähigkeit. In globaler Perspektive ergibt sich ein ähnliches Bild: Neben einem sehr hohen Maß an Zustimmung und Sympathie in allen Regionen der Welt machen sich regionale und kulturelle Unterschiede im Blick auf die konkreten Vorzüge demokratischer Verfassung geltend. Das Urteil über Leistungen und Nutzen der Demokratie ist pluralerund vielschichtiger geworden, während es vor fünfzig Jahren eher in dichotomischer Eindeutigkeit festgelegt war: Freiheit und Wohlstand gegen Unfreiheit und Mangel.
    Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung formulierte als «selbstverständliche Wahrheiten», dass alle Menschen gleich geschaffen und mit unveräußerlichen Rechten ausgestattet seien – an erster Stelle «Leben, Freiheit und das Streben nach Glück». Zur Sicherung dieser Rechte sollten demokratische Regierungen die alten Monarchien ablösen. Hat die Demokratie dieses Versprechen gehalten? Ökonomen und Glücksforscher haben tatsächlich herausgefunden, dass Glück und Zufriedenheit in der persönlichen Lebensführung mit demokratischer Verfassung korrelieren. In Demokratien sind die Menschen, weltweit, glücklicher als unter anderen Regierungsformen. Besonders hoch ist die Zufriedenheit dort, wo Regierung und politische Einflussmöglichkeiten den Bürgerinnen und Bürgern nahe sind: in Ländern mit föderaler Verfassung, in denen es nicht nur eine weit entfernte Zentralregierung gibt; in Ländern mit Elementen direkter Demokratie wie der Schweiz. Das macht deutlich: Glück ist nichts, was eine demokratische Regierung von oben «spendet» – solche Glücksmomente könnte wohl auch ein autoritäres Regime, eine Fürsorgediktatur, beschaffen. Es entsteht vielmehr im freien Handeln, in der Möglichkeit zur Teilhabe an politischen Entscheidungen, im Gefühl, das eigene Leben ebenso wie die allgemeinen Angelegenheiten beeinflussen zu können.
    So bleiben die Antworten auf die Frage «Was habe ich davon?» so vielschichtig und spannungsreich wie die Demokratie selber. Man kann sie umdrehen, ähnlich wie John F. Kennedy das in seiner Antrittsrede als amerikanischer Präsident im Januar 1961 getan hat: Frage nicht, was die Demokratie für dich tut, sondern was du für die Demokratie tun kannst. Man kann an den Gegensatz von Diktatur und Demokratie denken, dessen Kern der polnische Dissident Adam Michnik so gefasst hat: «Diktaturen garantieren sichere Straßen und den Terror der Türklingel. In der Demokratie mögen die Straßen nachts unsicher sein, aber wenn es frühmorgens klingelt, ist es wahrscheinlich nur der Milchmann.» Und man kann das Versprechen einer freien Lebensführung vor Augen haben, in dem Demokratie weit über persönliche Sicherheit und repräsentative Institutionen hinausgeht. Sie wird, in der Beschreibung des amerikanischen Philosophen John Dewey, zur Lebensform der individuellen Autonomie und der freien Kooperation mit anderen.

Nachwort
    Geschichte und Gegenwart der Demokratie haben mich seit langem beschäftigt. In meiner Schulzeit und im Studium, noch während der Zeit der «alten» Bundesrepublik, stand dieses Thema ganz im Zeichen des Untergangs der Demokratie in der brutalen Diktatur des Nationalsozialismus und ihrer Wiedergewinnung in Westdeutschland. Die Rückkehr zur Demokratie wurde als ihr Neugewinn verstanden, als die erste «richtige» Ankunft der Deutschen in einem freien Regierungssystem und einer offenen Gesellschaft. Das war die Perspektive derer, die jetzt häufig als «45

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