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Was ist Demokratie

Was ist Demokratie

Titel: Was ist Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Nolte
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entlang des Fortschritts von Technik und Kommunikationsmitteln schreiben ließe. Längst vor dem Radio und dem Fernsehen wäre dabei von der Druckerpresse, der Eisenbahn und dem Telegraphen die Rede; am Beginn des 21. Jahrhunderts schreibt das Internet diese Geschichte fort.
    Im späten 18. und im frühen 19. Jahrhundert gewannen Wahlkämpfe eine neue Dynamik; in Frankreich wie in den USA, in England wie in vielen deutschen Regionen. Die Leidenschaft für Parteien erreichte auch die normale Bevölkerung; zugleich erhielten auch einfache Bürger das Wahlrecht. Nicht nur in den Großstädten wie London, Philadelphia oder Paris wurde im Vorfeld von Wahlen erbittert gestritten; auch in der Provinz, in den Kleinstädten und auf dem Lande boten die Parteien alles auf, was ihnen zur Verfügung stand: neben politischen Argumenten in Flugblättern und Versammlungen immer wieder auch reichliche Mengen Alkohol, die in Wirtshäusern oder vor Wahllokalen freigiebig flossen, damit die Stimme dem Spender zugutekam. Kleine wirtschaftliche und menschliche Vorteile wurden versprochen – und ebenso Drohungen ausgesprochen: dass man seine Schulden sofort zurückzahlen müsse, oder als Handwerker keine Aufträge, als Tagelöhner keine Arbeit mehr erhalte. Am Wahltag selber hielten die Aktivisten der Parteien den Wählern unmittelbar vor dem Wahllokal Wahlzettel mit den Kandidaten der eigenen Partei entgegen, die man nur noch – oft unter scharfer Beobachtung – in die Urne stecken musste. So verliefen Wahlen in Amerika um 1800 ebenso wie in Baden in den 1840er Jahren oder in Preußen noch um 1900. Behördlich gedruckte und vereinheitlichte Wahlzettel waren nämlich lange Zeit unbekannt; man musste die Namen auf ein Stück Papier schreiben oder sich eben einen schon beschriebenen Zettel geben lassen, was vor allem den weniger Gebildeten und Schreibunkundigen entgegenkam. Im späten 19. Jahrhundertwurde diese traditionelle Form des Wahlkampfes aber immer mehr von modernen Formen des organisierten und zentral gesteuerten Wahlkampfes überlagert. Zugleich hielt der standardisierte Stimmzettel, nach seiner Herkunft auch «Australian ballot» genannt, Einzug.
    An dieser Geschichte gemessen hat sich in den letzten hundert oder zweihundert Jahren zweierlei vollzogen: eine Entdramatisierung des Wählens selber und eine Formveränderung des Wahlkampfes. Wahlkämpfe sind zu Produkten einer professionellen Maschinerie geworden und zu Produkten der Massenmedien. Das Fernsehen hat vermutlich eine noch größere Zäsur gesetzt als das Radio und eine ganz neue Kategorie der visuellen Attraktivität und Überzeugungsfähigkeit von Kandidaten geschaffen. Wie viele Legenden hat auch die von Richard Nixon ein Körnchen Wahrheit, der im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 1960 auch deshalb den Kürzeren zog, weil er schlecht rasiert in ein Fernsehduell ging und die Kameras ihm nicht schmeichelten. Der klassische Plakatwahlkampf spielt immer noch eine wichtige Rolle, aber die Botschaften sind nicht mehr so scharf, so eindeutig und spezifisch, wie sie in der Anfangszeit der Bundesrepublik (zum Teil) waren. Die Kosten von Wahlkämpfen sind steil angestiegen und bisweilen Gegenstand der Kritik, vor allem wenn sie – wie in den USA – durch die Kandidaten selber in Spendenkampagnen mobilisiert werden müssen. In Deutschland dagegen übernimmt der Staat (also die Steuerzahler, also die Bürger) einen Teil der Parteienfinanzierung und beteiligt sich damit auch an den Wahlkampfkosten – in Anerkennung der Bedeutung von Parteien und Wahlen für die Demokratie. Welchen Mechanismus man auch immer bevorzugt – das amerikanische System führt zu wesentlich mehr bürgerlichem Engagement für bestimmte Kandidaten, ist aber auch korruptionsanfälliger –, die Kosten von einigen Euro pro Wähler halten sich in Grenzen, die der Bedeutung von Wahlen wohl nicht unangemessen sind.
    Rückt der Wahltag heran, verstummt – anders als früher – der Wahlkampf: Der Wahlakt soll sich unbeeinflusst, in Neutralität und Ruhe vollziehen. In Deutschland finden Wahlen seit langem an einem Sonntag statt, um jenseits der regulären Arbeitszeiten möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern die Gelegenheit zur Wahl zu geben. Man verband dies traditionell mit Kirchgang oder Spaziergang; das Wählen gewann dadurch etwas

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