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Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen

Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen

Titel: Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Hoerster
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ebenso wie für Begründungen praktischen Handelns. Ich kann zwar begründen, warum ich demnächst nach Bamberg fahren und dort übernachten werde – weil ich die Stadt liebe und weil dort außerdem an dem betreffenden Abend meine Lieblingssinfonie gespielt wird. Warum ich aber gerade diese Stadt und diese Sinfonie so liebe, kann ich letztlich nicht begründen. Meine Liebe oder Präferenz ist vielmehr die
Basis
für die Begründung meiner verschiedenen zielführenden Handlungen.
    Ganz entsprechend verhält es sich im Bereich der theoretischen Erkenntnis – außer dass hier die Basis eine intersubjektiv von allen Menschen geteilte ist. Worin aber besteht diese allgemeine Basis unseres menschlichen Erkennens oder Wissens? Nun,
eine
Basis ist mit Sicherheit, wie wir in Kapitel 3 sahen, die Sinneswahrnehmung. Zwar kann eine einzelne Sinneswahrnehmung mich auch täuschen. Aber die einzige Methode, dies festzustellen, besteht auch wieder in der Sinneswahrnehmung – sei es in der Wahrnehmung einesanderen meiner Sinne oder in der Sinneswahrnehmung meiner Mitmenschen.
    Angenommen, ein unerbittlicher Skeptiker würde sagen: «Woher weißt Du denn, dass gerade die Sinneswahrnehmung eine Basis für begründetes Wissen ist?» Ich würde ihm antworten: «Wie können wir uns denn ohne Sinneswahrnehmung über die Welt vergewissern? Was betrachtest
Du
denn im praktischen Leben als Basis für begründetes Wissen? Wie stellst
Du
denn etwa fest, ob vor der Einfahrt Deiner Garage momentan ein Mensch, eine Kuh, ein Auto oder gar nichts steht? Natürlich ist es
logisch möglich,
dass uns unsere Sinne nicht nur dann und wann, sondern permanent täuschen, dass wir also auf dem Weg der Sinneswahrnehmung
niemals
ein zuverlässiges Wissen erlangen können. Auf welche Weise aber können wir denn feststellen, ob dies wirklich zutrifft? Woran, außer wiederum an unserer Sinneswahrnehmung, können wir denn
einzelne
fragwürdige Resultate unserer Sinneswahrnehmung realistischerweise messen und anschließend korrigieren?»
    Natürlich wäre es
denkbar,
dass wir sogar die
prinzipielle
Verlässlichkeit der Sinneswahrnehmung auf eine weitere Basis stützen könnten. Doch dann könnten wir eben
diese
Basis (oder die Basis dieser Basis) nicht weiter begründen: Irgendwo muss auch die beste Begründung abbrechen bzw. anfangen. Es ist schlicht unmöglich, für jede Begründung, die man gibt, ohne Ende eine weitere, ganz neue Begründung zu finden. Es ist ja nicht einmal der Fall, dass wir Menschen auch nur
eine
weitere Methode der Erkenntnisgewinnung über die reale Welt zur Verfügung haben, an der sich die Sinneswahrnehmung generell messen ließe.
    So viel zur Sinneswahrnehmung als jedenfalls
einer
unverzichtbaren Basis unseres Erkennens und Wissens. Meine Behauptung geht nun dahin, dass für die induktive Methode, die sich ja der Sinneswahrnehmung bedient, etwas ganz Entsprechendes gilt wie für die Sinneswahrnehmung als solche. Wie die Sinneswahrnehmung ist auch die induktive Methode, wie wir sahen, in der Realität für uns unverzichtbar. Denn wie die Sinneswahrnehmung ist auch die induktive Methode eine Basis für einen Großteil unseres Wissens – unseres Wissens über die Zukunft. Und wie für die Sinneswahrnehmung ist auch für die induktive Methode keine weitere Basis ersichtlich, die ihrer Begründung dienen könnte. Man kann die induktive Methode zwar im einzelnen zu analysieren und zu präzisieren versuchen, aber man kann sie, wie wir sahen, nicht begründen: Sie ist selbst die Basis und das Kriterium für unser begründetes Wissens über die Zukunft.
    Es ist in diesem Zusammenhang aufschlussreich, sich einmal zu fragen, welche Möglichkeit einer Zukunftsvoraussage wir für den logisch denkbaren Fall haben, dass die Natur in Zukunft
nicht
konstant bleibt, dass die induktive Methode also versagt. Die Antwort lautet schlicht: Wir haben
gar keine
solche Möglichkeit. Denn es gäbe unter dieser Voraussetzung eine geradezu unendliche Vielzahl möglicher alternativer Naturverläufe bzw. Naturereignisse. Zum einen könnte ein vollkommen regelloses Chaos herrschen; zum anderen könnten sich aber auch neue Regelmäßigkeiten ergeben, die von den vergangenen total abweichen. So könnte etwa die Sonne anstatt alle 24 Stunden alle 6 Tage, alle 5 Wochen oder alle 4 Monate neu aufgehen.
    Nun bildet der Fall, dass die Natur demnächst ihre bisherige Konstanz einbüßt, zwar
eine
logische Möglichkeit. Eine weitere logische Möglichkeit aber besteht ohne

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