Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen
Zweifel darin, dass die Natur ihre bisherige Konstanz beibehält. Und genau für diesen Fall haben wir ja die Möglichkeit zuverlässiger Voraussagen – nämlich mithilfe der induktiven Methode! Selbst wenn wir also dem radikalen Skeptiker folgen und – theoretisch betrachtet – die künftige Konstanz des Naturverlaufs weder für sicher noch auch nur für wahrscheinlich erklären, so spricht trotzdem – pragmatisch betrachtet – das folgende Argument für die Akzeptanz der induktiven Methode.
Für den möglichen Fall einer künftigen Inkonstanz der Natur haben wir überhaupt keine Chance einer zuverlässigen Voraussage. Für den möglichen Fall einer künftigen Konstanz der Natur jedoch haben wir die bewährte induktive Methode. Das bedeutet: Wenn wir uns für die induktive Methode entscheiden und an ihr festhalten, so haben wir damit im Fall einer künftigen Inkonstanz der Natur zwar nichts gewonnen, aber auch nichts verloren; im Fall einer künftigen Konstanz der Natur jedoch haben wir damit eindeutig das große Los gezogen. Also sollten wir, selbst wenn wir das Schlimmste für möglich halten, der induktiven Methode die Treue bewahren.
5. Sind Werte Gegenstand des Wissens?
Kann man Werte erkennen und über sie Wissen erlangen? Kann man also seine Urteile über Werte – seine Werturteile – objektiv begründen? Oder ist es eine Sache des persönlichen Beliebens oder der persönlichen Entscheidung jedes einzelnen, was für ihn einen Wert darstellt und an welchen Werten er sein Handeln ausrichten sollte?
Bevor wir uns diesen Fragen zuwenden, müssen wir uns zunächst ein genaueres Bild davon machen, welche Bedeutung wir mit dem Wort «Wert» überhaupt verbinden. Was meinen wir, wenn wir sagen, etwas stelle einen Wert dar oder etwas habe einen Wert? Es scheint, dass wir einen Wert einem Gegenstand immer dann zuschreiben, wenn wir diesen Gegenstand wertschätzen oder positiv bewerten, dass also ein Gegenstand dadurch, dass wir ihn positiv bewerten, für uns einen Wert darstellt. Häufig geschieht dies dadurch, dass wir den Gegenstand etwa als «wertvoll» oder «gut» oder «hervorragend» bezeichnen. Der Gegenstand der Bewertung kann dabei von beliebiger Art sein. Es kann sich um ein physisches Objekt (wie ein Auto), um einen Menschen (wie einen Künstler), um ein menschliches Verhalten (wie eine Spende), um ein Ereignis (wie einen Sonnenuntergang) oder um einen Zustand (wie ein bestimmtes Klima) handeln.
Das Urteil, wonach etwas einen Wert besitzt, kann sowohl in einem expressiven als auch in einem deskriptiven Sinn gemeint sein. In einem expressiven Sinn ist es gemeint, wenn ich mit dem Urteil
meine eigene
positive Bewertung
zum Ausdruck bringe,
wenn ich also etwa sage: «Das gestrige Konzert in der Philharmonie war großartig.» In einem deskriptiven Sinn ist es gemeint, wenn ich mit dem Urteil lediglich eine
fremde
positive Bewertung
beschreibe,
wenn ich also etwa sage: «Der Stierkampf stellt für die Spanier einen hohen Wert dar.»
In einem deskriptiven Sinn wird der Wertbegriff besonders häufig in ökonomischer Hinsicht verwendet. Dies ist der Fall, wenn etwa ein Kunsthändler sagt, ein Bild von Pablo Picasso habe einen größeren Wert als ein Bild von Emil Nolde. Gleichzeitig könnte der Kunsthändler ja im expressiven Sinn sagen, nach seinem eigenen ästhetischen Geschmack habe ein Bild von Emil Nolde den größeren Wert. Wenn im folgenden von Werturteilen die Rede ist, sind im Zweifel expressive Werturteile gemeint.
Was folgt daraus, wenn jemand ein Objekt positiv bewertet und ihm damit einen Wert zuschreibt? Wie es scheint, haben unsere Werturteile immer auch mögliche Konsequenzen für unser Handeln: Wer etwa die Fernsehsendung «Deutschland sucht den Superstar» für großartig hält, wird sie sich normalerweise nach Feierabend auch ansehen. Allerdings muss der Zusammenhang zwischen Werturteil und Handeln nicht immer ein unmittelbarer sein. Man betrachte folgendes Beispiel.
Angenommen, ich gebe über die Automarke Mercedes ein positives Werturteil ab. Dann folgt daraus zwar nicht automatisch,dass ich einen Mercedes kaufen werde. Was normalerweise jedoch durchaus folgt, ist, dass ich einen Mercedes unter bestimmten Bedingungen kaufen
würde –
nämlich dann, wenn ich 1. ohnehin ein Auto kaufen will, wenn ich 2. keine andere Marke noch besser als Mercedes finde und wenn ich 3. mir den Kauf eines Mercedes ohne weiteres leisten kann. Es wäre in der Tat sehr merkwürdig, wenn ich
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