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Was kostet die Welt

Titel: Was kostet die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel
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sein.
    Â 
    Das Beste war der Tierfriedhof in San Francisco. »We know love, we had this little dog - The Edwards«, stand auf dem kleinen hölzernen Grabstein von Hula-Girl. Direkt über Verena und mir rauschte der Verkehr über die Golden Gate Bridge, ein paar Meter weiter schwappte der Pazifik ans Land, und vor uns lag eine kleine Wiese, halb sonnenbeschienen, halb im Schatten dicker Eichen. Unter dem grünen Gras lagen Katzen, Fische, Hunde, Ratten, Mäuse und Vögel, von ihren trauernden Herrchen und Frauchen an diesem versteckten Ort zur letzten Ruhe gebettet.
    Happy, Kitty, Rusty, Duffy, Dandy, Cindy, Susi, Sammy, Scrappy, Schmally, Fiffi, Murphy, Bambi, Blondie, Brownie, Cozy, Stinky, Wanki, Wixie, Mazzy, Crabby, Raspberry, Princey Whiteley Princetones Alberich, A man I called Smokey, Tibet, Mac Shag, Yurikov, Bogart, Allyssum, King, Bun-Bun, Boogieman, Chico, Sugar, Tweek, Tucker, Tagalong, Spike, Chim-Chim, Pumpkin Bird, Macaroni Heart, Codyboy Hoffmann, Shorty Johnson, Bali Boring, The Duke of Benning, Mr Twister, Teufel, Hasso, Schultz-Kobbe, Siglund, Liebchen, Gretchen, Jedermann.
    Verena und ich waren gerade erst ein paar Stunden zusammen unterwegs und hatten schon so etwas Exklusives entdeckt. Außer uns war niemand dort. Die Golden Gate Bridge war das schönste von Menschenhand Geschaffene, das ich je gesehen habe. Ich hätte gerne die Zeit angehalten, unter dieser Brücke, an diesem Aprilnachmittag.

    Â 
    Gegen Ende unserer Reise waren wir wieder auf einem Friedhof. Es war mein 27. Geburtstag. Ist gerade mal zweieinhalb Wochen her. Schweigend saßen wir auf dem Calvary Cemetery in New York im Gras und warteten darauf, dass die halluzinogene Wirkung der Pilze einsetzte. Brians Geburtstagsgeschenk für mich.
    Trilliarden von Grabsteinen türmten sich vor uns auf und vermischten sich mit den Wolkenkratzern von Manhattan, die auf der anderen Seite des East River in einen milchigen Himmel ragten. Es war irre heiß. Und menschenleer. Kein Wunder, die meisten der hier begrabenen Personen waren seit fünfzig Jahren oder länger tot und wurden dementsprechend selten besucht. Ich machte einen Haufen Fotos, die alle aussahen wie die Bilder, die erscheinen, wenn man bei Google »Calvary Cemetery New York« eingibt.
    Ich lehnte mich zurück und blickte ins Leere. Vor mir verschwamm alles und wuchs zu einer antiken Stadt fern von Raum und Zeit zusammen. Eine Kombination aus Grabsteinen und Statuen, die in der Form an eine Pyramide erinnerte. Ich kniff die Augen zusammen, bis ich die Scorpions-Pyramide vor mir sah, von irgendeinem Live-Albumcover, mittig oben das Empire State Building als Klaus Meine, der auf den Oberschenkeln von Rudolf Schenker und Matthias Jabs steht.
    Als es zu nieseln begann, liefen wir zum Auto, und Verena, die nichts nimmt, was man nicht im Supermarkt oder in der Apotheke kaufen kann, fuhr uns rüber zu dem Kinderspielplatz in Williamsburg, wo Brian und ich endlich dem Wahnsinn ins Auge blickten. Ich weiß bis heute nicht, ob die Pilze künstlich hochgezüchtet worden waren oder ob ich mich bei der Dosierung vertan hatte. Vielleicht beeinflusste auch die Architektur der Stadt die Wirkung. Die Skyline
von Manhattan schwankte jedenfalls immer noch wie ein kubistisches Gemälde im Hochofen, als ich im Morgengrauen auf dem Dach in Greenpoint saß und versuchte, den Aus-Schalter zu finden.
    Das ist das Problem bei diesem Zeug, es gibt keine Feinjustierung. Hier ein paar Bässe rein, da ein paar Höhen raus, das ist nicht möglich. Man kann sie nur fressen und abwarten, was passiert. Und damit muss man dann umgehen.
    Am nächsten Morgen wachte ich auf einem Wäschestapel in der Wohnküche auf. Auch Brian und seine Mitbewohner Alex und Maria lagen komatös quer über die Wohnung verteilt. Nur Verena war schon wach und kochte uns Kaffee. Sie umsorgte mich den ganzen Tag, als wäre sie meine Mutter, und ich weiß noch, dass ich das sehr angenehm und rührend fand. Es war wie der erste Tag nach einer längeren Grippe, an dem man sich zwar noch schwach fühlt, aber weiß, dass man das Schlimmste jetzt überstanden hat und es einem bald bessergehen wird.
    Â 
    Ich war nur zweimal auf dem Friedhof in Jena, wo mein Vater begraben liegt. Bei der Beerdigung und ein paar Monate danach, an einem kalten Tag Mitte Februar.
    Der Grund für meinen Besuch war Pflichtgefühl. Silvia und ich sollten uns um den Grabstein

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