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Was kostet die Welt

Titel: Was kostet die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel
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verschmähe, ist für sie wahrscheinlich ähnlich ehrverletzend, als würde ich jetzt eine Flasche Liebfrauenmilch von Peter Mertes entkorken.
    Â 
    Â»Mutti, jetzt gib dem Jungen doch mal’ne Frikadelle«, sagt Hubert.
    Â»Er will ja nicht«, sagt Frau Arend.
    Â»Wirklich nicht?«
    Â»Nein, danke«, sage ich.
    Â»Lecker sind die.«
    Â»Glaube ich.«
    Â»Du brauchst doch was inne Flügel!«
    Â»Na ja, also, ich esse kein Fleisch.«
    Â»Kein Fleisch?« Hubert schaut mich entsetzt an.
    Â»Nein«, sage ich.
    Â»Gar kein Fleisch?«
    Â»Nein«, sage ich.
    Â»Und Fisch?«
    Â»Auch nicht«, sage ich.
    Â»Verstehe. Also mehr so Abteilung Kinder kommt rein, das Essen wird welk , was?«
    Â»Papa!«, sagt Flo.
    Â»Na ja, wer nicht will, der hat schon. Bevor’s schlecht wird …«

    Â»Hier, Vatti«, sagt Frau Arend und reicht ihm den Teller mit dem Bulettenberg rüber. Dann wendet sie sich an mich. »Noch ein bisschen Soße, Herr Meise?«
    Â»Nein, danke.«
    Â»Da gehört doch Soße auf die Kartoffeln. Ist doch viel zu trocken sonst!«, ruft Hubert kauend.
    Â»Außerdem isst das Auge ja mit!«, pflichtet seine Frau ihm bei.
    Â»Na gut. Danke.«
    Sie gießt mir Soße über die zerstampften Kartoffeln, und ich muss zugeben, dass es nicht nur gut schmeckt, sondern auf dem Teller auch besser aussieht.
    Â»Die Judith schafft’s leider nicht zum Essen, die ist noch in Trier«, sagt Flo zu mir. Ich habe schon etwas gelernt: Eine Reaktion wird erwartet.
    Â»In Trier?«
    Â»Ja, an der Uni.«
    Â»Ach so.«
    Â»Freizeit- und Tourismusgeografie. Die hat aber heute nur eine Vorlesung, müsste gleich wieder da sein. Und dann können wir von mir aus auch direkt los auf unsere kleine Spritztour.«
    Â»Spritztour ist gut«, sagt Hubert. »Guckt mal nach draußen, wie das am Pissen ist!«
    Er hat Recht. Der Himmel sieht aus, als würde man jemandem Papier und Bleistift in die Hand drücken und sagen: »Zeichne mal Regen.«
    Ich habe keine Ahnung, was Freizeit- und Tourismusgeografie ist. Es klingt wahnsinnig langweilig, also besser gar nicht nachfragen. Ich verstehe auch nicht, wie man sich als Ehepaar gegenseitig Mutti und Vatti nennen kann, und finde es irritierend, von einem Elternteil gesiezt und vom
anderen geduzt zu werden. Aber immerhin gibt es keine lange Diskussion über fleischlose Ernährung. Und kein Gebet vorm Essen, das hätte mich jetzt irgendwie auch nicht gewundert.
    Frau Arend schaufelt mir noch eine Portion Erbsen und Möhren auf den Teller.
    Â»Und wie ist das als Junggeselle in Berlin, schmeißt man da auch mal den Herd an, oder gibt’s jeden Abend was vom Imbiss?«
    Â»Mal so, mal so«, sage ich.
    Frau Arend nickt, zufrieden mit der Antwort, und damit scheinen meine Ernährungsgewohnheiten endlich abgehakt. Aber dann, ich weiß nicht, warum, füge ich noch etwas hinzu.
    Â»Es ist nämlich so: Kochen kann ich wohl, nur essen kann das keiner.«
    Ich habe wirklich keine Ahnung, was mich jetzt geritten hat, den einzigen Witz meines Vaters anzubringen. Ich fühle mich, als hätte ich mich mit fremden Federn geschmückt. Federn, die mir außerdem überhaupt nicht stehen. Aber ich genieße den Applaus wie eine erfrischende Dusche. Alle lachen. Ich lache auch. Ich glaube sogar zu sehen, wie Hubert anerkennend mit dem Kopf nickt, als wäre er nicht nur überrascht, sondern geradezu stolz auf mich.
    Â» Nur essen kann das keiner … nicht schlecht!«
    Vielleicht hat er mich jetzt in seine Sprücheklopferwelt aufgenommen. Wahrscheinlich wird er mir gleich das Phrasendrescherdiplom überreichen.
    Â 
    Â»Und, gefällt’s Ihnen denn hier bei uns auf dem Land?«
    Â»Ja, gut.«

    Â»Ist anders als Berlin, gell? Ruhiger. Und schöner. Also ich versteh ja nicht, wie man in so einer Stadt leben kann. Viel zu laut.«
    Â»Na ja, da gibt’s ja auch ruhige Ecken.«
    Â»Aber nicht so wie hier«, schaltet Hubert sich ein. »Bestimmt nicht so wie hier. Wenn ich hier zum Jagen rausgehe, da treff ich manchmal stundenlang keinen Menschen.«
    Â»Manchmal nicht mal ein Tier«, sagt Flo und grinst.
    Â»Werd mal nicht frech, Junior!«
    Alle lachen.
    Â»Und meinen Sohn haben Sie in New York kennengelernt?«, fragt Frau Arend.
    Â»Ja, genau.«
    Â»Haben Sie da auch Urlaub gemacht?«
    Â»Ja,

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