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Was kostet die Welt

Titel: Was kostet die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel
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die kann ich so wegkippen. Muss also was mit der Lippenstellung oder so zu tun haben. Ist ja auch egal.
    Die Kommunikation mit Marek ist etwas einseitig, sie erschöpft sich mehr oder weniger darin, dass ich ihm eine Frage über die Arbeit stelle und er mit wenigen Worten antwortet. Immerhin erfahre ich, dass er seit drei Jahren jeden Sommer auf dem Weingut der Arends arbeitet, als Erntehelfer, zusammen mit seinem Vater Stanislaw. Was ich ja im Grunde alles schon von Flo und Hubert weiß.
    Trotzdem tut es gut, hier zu sitzen und mit ihm zu reden, mich mit ihm zu solidarisieren und zu verbünden. Wenn es gleich knallt, dann weiß ich, auf welcher Seite ich stehe. Klare Fronten, das ist mal wieder was. Und plötzlich kann ich es kaum erwarten.
    Marek und ich arbeiten eine weitere Runde Bier und Schnaps weg. Dabei horche ich mit einem Ohr auf weitere Faschosprüche vom Tisch hinter uns, doch es kommen keine. Die Idiotenrunde diskutiert gerade über ihren fünften Mann, der heute nicht erschienen ist.

    Â 
    Handwerkertyp: »Ist bestimmt schon wieder voll bis Oberkante Unterlippe, der alte Süffel.«
    Alphawolf: »Mit dem Arno kannste eh nicht in Ruhe zocken. Der hat so eine Konfirmandenblase, alle fünf Minuten rennt der aufs Örtchen.«
    Handwerkertyp: »Vor allem, wenn er dran ist mit Runde bestellen. Dann muss er immer besonders dringend!«
    Comicverkäufer: »Wohl wahr, wohl wahr.«
    Alphawolf: »Da krieg ich so’nen Hals, ganz ehrlich. Letzten Sonntag auch. Wir beim Frühschoppen. Und Arno auf einmal: Halb eins, Essen steht aufm Tisch. Da sag ich: Du bleibst jetzt so lange hier, bis du einen ausgegeben hast, sonst hau ich dich um, das schwör ich dir. «
    Handwerkertyp: »So welche gibt’s überall.«
    Comicverkäufer: »Wohl wahr, wohl wahr.«
    Handwerkertyp: »Armes Deutschland.«
    Alphawolf: »Das sag ich dir.«
    Comicverkäufer: »Wohl wahr.«
    Â 
    Dann wird es wieder ruhiger, sie konzentrieren sich auf ihr Kartenspiel. Dagmar stellt uns zwei neue Schnäpse hin.
    Â»Bist du öfter hier?«, frage ich Marek.
    Â»Nicht oft. Viel Arbeit. Mein Vater sagt, besser Geld sparen. Aber er ist alte Mann. Ich junge Mann, ne. Manchmal ich muss in Kneipe.« Er hebt prostend sein Schnapsglas. Ich proste zurück. Während der Wodka mir heiß die Kehle runterläuft und in meiner Brust die Lungenbläschen zum Tanzen bringt, erklingt hinter mir die Stimme des Alphawolfs.
    Â»Hauptsache, der junge Mann lässt die Finger von unseren Frauen.«
    Er hat es zu seinem Rudel gesagt, ganz ruhig und beiläufig, aber laut genug, dass alle im Raum es hören konnten.
Ich drehe mich auf meinem Barhocker um. Der Wichser sitzt mit dem Rücken zu mir. In meinem Körper zieht sich alles zusammen. Jeder Muskel ist gespannt. Die Augen von Bubigesicht flackern wie irre vom einen zum anderen. Auch Handwerkertyp und Comicverkäufer wirken nun ziemlich nervös.
    Marek dagegen scheint das alles nicht im Geringsten zu tangieren. Er trinkt sein Bier aus und sagt: »Zahlen, bitte.«
    Â»Ich auch«, sage ich, rutsche von meinem Hocker, beuge mich vor und schreie dem Alphawolf genau ins Ohr. »SIND JA EH NUR ARSCHLÖCHER HIER!«
    Â 
    Niemand sagt einen Ton. Die Stammtischbrüder sind mit ihren Karten in den Händen zu Salzsäulen erstarrt. Dagmar steht mit Mareks Deckel in der Hand wie festgenagelt hinterm Tresen, und die Baseballkappe sitzt mit offenem Mund am Spielautomaten. Auch aus dem Hinterzimmer kommt kein Geräusch. Sogar der Spielautomat ist verstummt.
    Es ist für einen Moment wie im Western, wenn alle den Atem anhalten und warten, wer als Erster den Colt zieht. Der Alphawolf sitzt nur da und bewegt sich nicht. Er sieht mich nicht mal an. Ich überlege fieberhaft, was ich machen soll, wenn er sich rührt. Luft kann nicht knistern. Wenn sie es könnte, würde sie es jetzt tun.
    Welche Bewegung wird er als Erstes machen?
    Ich sollte ihm von oben auf den Kopf hauen, damit er gar nicht erst aus dem Stuhl hochkommt. Muss ihn irgendwie zu Boden kriegen, und dann am besten sofort reintreten. Oder ihm den Stuhl über den Rücken ziehen. Mit beiden Händen seinen Kopf packen und immer wieder auf den Boden hämmern. Auf jeden Fall nicht lange fackeln, sonst habe ich keine Chance.

11
    Es ist immer noch warm und schwül. Der Himmel ist sternenklar. Er sieht anders aus als in der Stadt,

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