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Was kostet die Welt

Titel: Was kostet die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel
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soll, aber in meinem Zimmer ist mir die Decke auf den Kopf gefallen. Noch so ein Ausdruck, den ich heute zum ersten Mal wirklich verstanden habe.
    Mein Kopf dröhnt noch mehr als heute Morgen. Ich glaube, beim Frühstück war ich noch betrunken, und je mehr ich ausnüchtere, desto schlimmer wird es.
    Es war auch so irre heiß in der Bude, unter den Schrägen, wo sich die nasswarme Luft zu einer suppigen Konsistenz zusammenstaut. Nach dem Frühstück habe ich sofort geduscht.
Ich hatte mich kaum abgetrocknet, da begann ich schon wieder zu transpirieren und fragte mich, ob ich das geerbte Geld nicht lieber dafür hätte ausgeben sollen, mir sämtliche Schweißdrüsen versiegeln zu lassen.
    Jetzt, in diesen überfüllten Gassen, fühle ich mich nur noch wie ein nasser Sack, puren Alkohol ausschwitzend, ein nasser Sack mit einem viel zu großen Kopf.
    Ich betrete die erstbeste Apotheke und kaufe eine Packung Aspirin bei Juliette Binoche, die sich hier in Bernkastel unter dem Tarnnamen A. Georg ein kleines Zubrot verdient. Während ich das Wechselgeld verstaue, betritt eine ältere Dame den Laden.
    Â 
    Â»Tag, Frau Georg.«
    Â»Tag, Frau Lemmich.«
    Â»Na, haben Sie auch schon von dem Stier in Renderich gehört?«
    Â»Ja, das ist ein Ding, was! Das muss ja ein Riesenkaventsmann gewesen sein.«
    Â»Aber hallo! Und der soll noch gut einen Kilometer die Mosel runtergeschwommen sein, bevor sie ihn erwischt haben.«
    Â»Ich wusste gar nicht, dass Stiere schwimmen können.«
    Â»Das wusste der Stier wohl selber nicht.«
    Sie lachen. Ich schmunzele.
    Interessant, dass aus der Kuh mittlerweile ein Stier geworden ist, der außerdem auch noch die Mosel runtergeschwommen sein soll. Ein paar Dörfer weiter ist bestimmt schon von einem Dinosaurier die Rede, der bei Renderich mit einem Schritt über den Fluss gestiegen ist, wobei er die Wohnwagensiedlung unter sich begraben und ein paar friedlich im Sandkasten spielende Kinder verspeist hat,
bevor er mit einem lauten Furz das ganze Dorf ausräucherte.
    Â»Alle tot!«
    Â»Ein Riesenkaventsmann!«
    Â»Aber hallo!«
    Â 
    Durst Durst Durst. An der Ecke befindet sich das »Take it easy«. »Bistro und mehr« steht auf dem Schild vorm Laden. Drinnen läuft Panflötenmusik. Ich gehe eine Ecke weiter zum italienischen Eiscafé und Restaurant »Pizza, Pasta, Basta«. Welcher Scherzkeks sich wohl hier als Promofuchs verdingen und all diese bescheuerten Ladennamen ausdenken durfte!
    An einem wackligen runden Plastiktisch im Schatten studiere ich die Hochglanzspeisekarte. Neben den meisten Gerichten sind Fotos von denselben abgebildet. Eins unappetitlicher als das andere. Es gibt Pizza, Pasta und, nein, nicht etwa Basta, sondern jede Menge Fleischgerichte, die so gar nicht italienisch wirken. Bei den Desserts ein matschiger Haufen, der offenbar Tiramisu darstellen soll, ein überbelichteter Eisbecher und mit Schokosoße überzogene Waffeln, die aussehen wie eine vollgeschissene Matratze.
    Bei einem blonden Mädchen mit Micky-Maus-T-Shirt bestelle ich ein Glas Wasser und einen Espresso. Ich zünde mir eine Zigarette an und betrachte das Leben auf der Straße.
    Beziehungsweise das, was man hier Leben nennt.
    Was machen die jungen Leute nur, wenn sie mal einen guten Film im Kino sehen wollen? Oder eine wirklich gute Pizza essen. Oder Sushi. Oder eine Tom-Kha-Suppe mit Tofu. Wenn sie auf ein Popkonzert gehen wollen, oder einen neuen Sexualpartner brauchen oder irgendetwas anderes, was das Leben schön macht - müssen sie dann immer
gleich Urlaub einreichen und ein paar hundert Kilometer mit dem Auto fahren?
    Was ist, wenn man schwul ist oder lesbisch oder gerne zu Soulmusik oder Indierock tanzt?
    Â»So, Ihr Wasser und der Expresso «, sagt das blonde Mädchen. Italienerin ist die auf jeden Fall nicht.
    Ich lasse eine Kopfschmerztablette ins Wasserglas fallen und trinke es in einem Zug leer. Also fast leer. Als ich das Glas vorm letzten Schluck absetze, sehe ich, dass sich die Tablette noch gar nicht ganz aufgelöst hat.
    Weil ich wirklich üble Kopfschmerzen habe, bestelle ich sicherheitshalber ein zweites Glas Wasser. Diesmal warte ich, bis sich die sprudelnde Scheibe komplett aufgelöst hat, und zwinge mir erst dann das Getränk rein. Es schmeckt metallisch, nach Straßenschild, irgendwie.
    Â 
    Mir ist unfassbar langweilig, und es ist nicht die Art von Langeweile,

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