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Was kostet die Welt

Titel: Was kostet die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel
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ich.«
    Â»Das sind die Geschichten, die das Leben schreibt. So was erleben Sie in der Stadt nicht, gell!«
    Â»Stimmt.«
    Â»Da soll nochmal einer sagen, in der Provinz wär nichts los!«
    Â»Stimmt.«
    Frau Arend lacht. Ich lache auch. Mein Kopf dröhnt.
    Sie verlässt mit dem gefüllten Tablett den Frühstücksraum. Für ein paar Sekunden ist es wieder still, und der Ohrwurm meldet sich zurück. Da-Da-Da-Daaaa-Da-Dada-Daaaa … Dann nehme ich auch wieder dieses Zischen wahr.
    Das bilde ich mir doch nicht ein!
    Oder doch?
    Vielleicht werde ich ja verrückt. Nach anderthalb Tagen auf dem Dorf dem Wahnsinn verfallen. Na wunderbar.
    Â 
    Flo kommt herein. Er hat einen Karton Wein unter dem Arm.
    Â»Moin, Meise.«
    Â»Morgen.«
    Â»Haste schon gehört mit der Kuh?«
    Â»Ja.«
    Â»Lecko mio! Als ob die gewusst hätte, was ihr blüht.«
    Â»Stimmt.«
    Â»Das müsste dir als Vegetarier doch eigentlich gefallen.«
    Â»Stimmt.«
    Flo stellt den Karton auf den Tisch und lehnt sich in den Türrahmen. Ich überlege, ihn zu fragen, ob er das Zischgeräusch auch hört. Komme mir aber blöd vor. Was, wenn da gar nichts ist, dann hält der mich doch für bescheuert!

    Mein Kopf. Mein Kopf. Mein Kopf.
    Flo lässt seine Zunge langsam über die Oberlippe gleiten, kratzt sich im Nacken und sieht mich an. »Und, warste noch lange aus gestern?«
    Â 
    Ja Flo, das war super gestern.
    Ich hab mir in dieser schmierigen Dorfschänke einen angesoffen und dann versucht, eine Schlägerei mit den Stammtischprolls anzuzetteln, aber die haben gekniffen.
    Danach bin ich mit eurem Erntehelfer in die Eifel gefahren, zu irgendeiner Wohnmobilnutte auf einem finsteren Landstraßenparkplatz. Hab aber keinen hochgekriegt.
    Um eins lag ich mit einer Flasche Wein im Bett und hab mir einen runtergeholt.
    Den Wein habe ich übrigens aus eurem Hof geklaut. Zwei Flaschen. Eine liegt noch bei mir im Kühlschrank, willst du die wiederhaben?
    Â 
    Â»Nee, nicht lange, war nur’ne Kleinigkeit essen.«
    Flo nickt langsam und sieht mich dabei irgendwie prüfend an. Ob er mich vielleicht gesehen oder gehört hat, als ich nach Hause kam?
    Wie ich bei Marek aus dem Wagen gestiegen bin, mir auf dem Hof die Flaschen unter den Arm geklemmt, die Haustür des Ferienhauses aufgeschlossen, Licht gemacht und auf dem Balkon eine geraucht habe?
    Nein, kann ich mir nicht vorstellen. Er lag bestimmt schon mit Judith im Bett. Fernsehen, gegenseitiges Nasebohren oder eine Runde Winzerquartett, wie auch immer ein gelungener Pärchenabend bei denen so aussieht.
    Â»Eichenfässer?«
    Â»Zehn.«

    Â»Ha, zwölf, her mit der Karte. Weinbautradition?«
    Â»493 Jahre.«
    Â»Shit!«
    Im Haus jedenfalls war es dunkel, vermutlich haben sie einfach früh geschlafen, um heute wieder frisch und munter zu sein. Und überhaupt, was denke ich überhaupt darüber nach, sind doch nicht meine Eltern hier!
    Â»Ich muss mich auch ein bisschen sputen jetzt, Auto einladen und so«, unterbricht Flo meine Paranoia. »Wir müssen bald mal los, wenn wir im Ruhrpott nicht in den Feierabendverkehr geraten wollen.«
    Das hatte ich fast vergessen. Flo fährt heute mit seiner Mutter zu Kunden, irgendwo nach Norddeutschland, Osnabrück oder Bielefeld oder so. Eine private Weinverkostung, bei Stammkunden zu Hause. Sie bleiben über Nacht, er hat es gestern erzählt und sich mehrmals bei mir entschuldigt.
    Â»Sorry«, sagte er, englisch ausgesprochen. Er sagt es auch jetzt wieder, mit übertrieben amerikanischem »r«, als wäre er ein Farmer aus Arizona. »Echt sorry, aber ich muss das mit meiner Mutter machen. Mein Vater kann momentan nicht weg. Der muss schaffen im Weinberg, weil die mit dem Aufbinden kaum nachkommen. Ist natürlich doof, gerade jetzt, wo du hier bist. Aber ich kann das nicht absagen. Für einen kleinen Betrieb wie unseren ist der persönliche Kundenkontakt enorm wichtig, nur so können wir überleben. Echt sorry.«
    Â»Schon okay«, sage ich.
    Â»Die Judith kommt gegen Nachmittag wieder. Ich glaub zwar, dass die noch einiges lernen muss übers Wochenende, aber wenn du was wissen willst, kannst du sie natürlich fragen. Oder meinen Vater, wenn er aus dem Weinberg zurück ist.«

    Â»Keine Sorge, ich komm schon klar.«
    Â»Ich bin morgen Mittag zurück. Vielleicht sogar schon vormittags. Abends

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