Was kostet die Welt
mehr beherrschen. Sie lächelt. Ihre Augen glänzen. All die selbst verordnete Coolness fällt von ihr ab. Sie bedankt sich sogar mit einem kleinen
Knicks. Ich lächle auch und nicke leicht mit dem Kopf, wie der GroÃstadtgentleman, der ich bin. Verlasse den Laden und verschwinde in den Fluten der Sonne, die mir jetzt nur noch halb so brutal erscheint wie vor meinem Friseurbesuch.
Ich bin mir sicher, dass sie mir hinterherschaut und sich fragt, was ich hier mache, wo ich herkomme und was ich heute noch vorhabe.
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Nichts habe ich heute noch vor, gar nichts. Mir ist genauso langweilig wie dir. Vielleicht sogar noch langweiliger, weil ich im Gegensatz zu dir keinerlei Ãbung darin habe. Ich heiÃe übrigens auch nicht Carlo, sondern Meise. Manchmal stelle ich mich mit falschem Namen vor, ich weià auch nicht, warum.
Was hältst du davon, wenn wir uns drüben bei Jagd- und Sportwaffen Jung ein paar Schrotflinten besorgen und anschlieÃend einen Wagen klauen? Dann können wir wild ballernd durch die Gegend fahren à la Bonnie und Clyde. Gucken wie Faye Dunaway kannst du ja schon. Wenn du magst, überfahren wir ein paar Omis. Jagen die geizigen alten Schachteln durch die StraÃen dieser todgeweihten Altstadt, bis sie vergeblich um Gnade winseln. Das schöne Knirschen von alten Knochen unter den Reifen, lustige Muster aus Blut auf der Windschutzscheibe, Lockenwickler, die sich in den Wischblättern verfangen - wär das was? Aus ihren Medikamenten basteln wir uns Drogen, auf ihren Leichen haben wir animalischen Sex, und zum Schluss brennen wir mithilfe selbstgebauter Molotow-Cocktails die ganze Stadt nieder und tanzen hysterisch gackernd in den Flammen.
Einen Abend Wahnsinn gegen tausend Jahre Stumpfsinn - nimm meine Hand und sei dabei, liebe Silvie!
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Es war eine halbe Stunde Urlaub, und es war schön, aber schon nach wenigen Minuten hat mich die echte Welt wieder, das Gefängnis aus Hitze, Tristesse und Langeweile. Ich starre auf den Fluss und versuche, ihn schön zu finden. Kein schöner Land in dieser Zeit. Da-Da-Da-Daaa-Da-Dada-Daaa â¦
Zurück in der FuÃgängerzone streune ich durch ein paar Läden und versuche, Geld auszugeben:
- 14,90 für einen Langhaarschneider, den der verschollen geglaubte Zwillingsbruder von Walter Momper umständlich in einer riesigen Plastiktüte verpackt, während die Deckenbeleuchtung des staubigen Elektroladens sich in seiner schwitzenden Glatze spiegelt.
- 7,95 für die Taschenbuchausgabe von Der alte Mann und das Meer im Buchladen Gensch, der neben Moselsouvenirs, Kalendern, Kinderbüchern und der Rubrik »Freche Frauen« ganze zwei Drehständer voller Romane im Sortiment hat. Erst beim Bezahlen fällt mir auf, dass ich dieses Manifest der schweren Schultern jetzt eigentlich überhaupt nicht gebrauchen kann.
- 21,98 für ein Paar Flipflops und einen Fünferpack Socken beim Modetreff Er-Sie-Es, in dem offenbar die ganze Familie eingekleidet wird. Nicht mal einen H & M haben sie hier. Ein Ort, an dem eine H & M-Filiale einen Fortschritt darstellen würde, das muss man sich mal vorstellen.
- 1,80 für ein Eis, zwei Kugeln, Zitrone und Haselnuss.
- 14,10 für drei Päckchen Benson & Hedges.
Danach habe ich immer noch 653 Euro und 10 Cent im Portemonnaie und weià nicht mehr, was ich tun soll. Da trifft es sich ganz gut, dass in einer halben Stunde der letzte Bus zurück nach Renderich fährt.
Ich latsche langsam Richtung Bushaltestelle. Mache ein paar Umwege durch die Gassen, betrachte lange die Bilder von verliebten Paaren, heiratenden Paaren und Paaren mit speckigen Babys im Schaufenster von Foto-Atelier Brandt, und bin trotzdem zwanzig Minuten zu früh an der Bushaltestelle.
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Das Schnattern der Turmfalken ist ein monotones, schimpfendes Geräusch, wie ein hochgepitchtes Quietscheentchen, in einer Tonlage, von der man sich wünscht, dass nur Hunde sie hören könnten. Ich habe dieses Gepiepe noch nie gehört. Dass es Turmfalken sind, weià ich auch nur, weil Flo gesagt hat, dass am Nachbarhaus abends welche sitzen. Es gibt hier auch jede Menge Fledermäuse. Nachts sieht man sie angeblich über den Hof jagen und Mücken fangen. Wo sie tagsüber von der Decke hängen, wusste Flo auch nicht. »Gute Frage«, hat er gesagt, und ich habe mich gefreut, wie ich mich immer freue, wenn andere auch mal etwas nicht wissen. Besonders wenn es sich um
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