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Was kostet die Welt

Titel: Was kostet die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel
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gutmeinenden, unbeholfenen Ehemännern und -frauen, Töchtern und Söhnen und Eltern und Großeltern und Arbeitskollegen und Nachbarn, heute zum ersten Mal aufgetragen, und das nicht zu knapp. Was früher noch halbwegs von Zigarettenrauch im Zaum gehalten wurde, kann sich jetzt frei entfalten und zu einem Cocktail des Ekels vermischen.
    Gemischte Sauna. Pumakäfig. Beduinenpuff.
    Es gibt keine eindeutig definierte Tanzfläche mehr. Vorne wird immer noch der Discofox getanzt, gleich dahinter drängeln sich die Menschenmassen. Zwischendrin gibt es immer wieder kleine Grüppchen, die ihren eigenen kleinen Dancefloor gebildet haben. Manche tanzen einfach nur so auf der Stelle, wie festgewachsen, angewurzelt. Unterhalten sich weiter, während sie ihre Knie vorschieben und wieder durchdrücken und den Oberkörper hin und her schaukeln wie hospitalistische Wackeldackel. Am anderen Ende des Zeltes tanzt eine Armada von Frauen in hellgrünen Polohemden auf den Bierbänken. Sie beklatschen eine aus ihrer Gruppe, die sich durchs Zelt gekämpft hat und nun umständlich auf die Bühne klettert. »Kegelclub Die Kugelrunden - Karin« steht auf ihrem Hemd. Karin torkelt auf den Saxofonisten zu und drückt ihm ihre Brüste entgegen.
    Â»Du bist’ne Waffe, für die es keinen Waffenschein giiiiibt …«
    Der Saxophonist dreht jetzt richtig auf und spielt ein leidenschaftliches, schiefes Solo zwischen Karins kugelrunden Titten.
    Â»Sexy, es ist mir scheißegal, mach ich mich lächerlich …«
    Die Kegelschwestern springen auf den Bänken herum wie kleine Mädchen. Eine schüttelt eine Flasche Sekt und spritzt das Blubberzeug in die Luft. Gläser klirren.
    Beim nächsten Lied explodiert die Stimmung endgültig.
    Â»Tausend und eine Nacht, und es hat ZOOM gemacht …«
    Die Leute reißen ihre Arme in die Luft und singen lauthals mit. Sie klatschen, schunkeln, brüllen und kreischen. Manche stieren sabbernd ins Leere, aber sogar das tun sie mit Hingabe. Ein leidenschaftlicher Stumpfsinn, konsequent und kompromisslos.

    Auf einmal verstehe ich den Begriff »Feierwut«. Die Sörzer sind wild entschlossen, entschlossen zu feiern. Einmal im Jahr wird mit enthemmter Stupidität die Langeweile kompensiert, und in diesem EM- und WM-losen Sommer erst recht. Dies ist ihr Tag, den kann ihnen keiner nehmen. Heute wird sich amüsiert. Komme, was wolle.
    Der Skynamite-Frontmann bringt es auf den Punkt, als er mit signalrotem Kopf nur ein Wort ins Mikro schreit: »Paaaaaaaaa-deeeeeyyyyyy«, das »t« so weich wie der Oberarm des Mannes neben mir, der aussieht, als würde er vor lauter Ekstase gleich anfangen zu schreien.
    Ich befinde mich in der Höhle des Löwen, und der Löwe heißt Skynamite. Diese stilresistenten Tausendsassa reiten auf der enthemmten Welle der Feierlust wie mit allen Wassern gewaschene Provinzpartyprofis, geübt auf tausend Jahren Weinfest, wahrscheinlich sind sie alle auf einem gezeugt worden. Sie schwenken um zu immer übleren Liedern, die ich noch nie gehört habe, die aber von allen im Raum frenetisch mitgesungen werden.
    Â»Komm, hol das Lasso raus, wir spielen Cowboy und Indianer …«
    Plötzlich steht Flo neben mir. »Ach, hier bist du, ich hab dich schon gesucht.«
    Â»Ja. Wahnsinn. Guck dir die Leute an, wie die durchdrehen!«
    Â»Sollen wir nicht rausgehen? Yannik und Andrea wollen demnächst los, und Judith und ich müssen auch nicht mehr so ewig bleiben.«
    Â»Ich will mir das angucken.«
    Â»Wieso das denn?«
    Â»Weil ich’s kaum fassen kann. Das ist zehnmal krasser als alles, was ich im Berghain je gesehen habe.«
    Â»Wo gesehen?«

    Â»Was?«
    Â»Wo?«
    Â»So wie ein Cowboy in der Einsamkeit, auf seiner Suche nach Geborgenheit …«
    Â»Mann, ist das laut. Was ist das denn eigentlich für eine unglaubliche Scheißmusik!«
    Â»Kennst du das nicht?«
    Â»Nee, sollte ich?«
    Â»Das ist ›Cowboy und Indianer‹, so’n Fastnachtslied.«
    Â»Ein was?«
    Â»Ein Fastnachtslied. Das kennt man doch!«
    Â»Für dich ist mir kein Weg zu weit, bei dir vergesse ich die Zeit …«
    Â»Unfassbar.«
    Â»UND JETZT ALLE!«
    Â»Komm, hol das Lasso raus …«
    Â»LAUTER!«
    Â»â€¦ wir spielen Cowboy und Indianer!«
    Â»LAUTER!!!«
    Â»O Gott, die da vorne schwingen alle einen unsichtbaren Penis als

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