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Was kostet die Welt

Titel: Was kostet die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel
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reagiert.
    Warum besorgt sie sich nicht einfach irgendwo einen fixen Abstandhalter, damit ich ihr bloß nicht zu nahe komme! Eine Abschleppstange zum Beispiel, mit der könnte sie mich doch prima auf Distanz halten.
    Â 
    Die erste Weinflasche ist leer.
    Nächste.
    Wenn man sich das Zeug direkt aus der Flasche in den Hals kippt, schmeckt es gar nicht mehr so süß.
    Na ja, eigentlich schmecke ich eh nicht mehr viel.
    Immer rein mit dem Gesöff.
    Trotzdem muss ich jetzt mal was anderes trinken. Schnaps wäre gut.
    Vorher nochmal schnell aufs Klo.
    Im Toilettenwagen stinkt es beißend nach Urin, der zu lange in der Sonne stand. Ich pisse mit vollem Strahl, dabei löst sich ein quietschender Furz. Als ich mich umgucke, steht da ein Typ am Waschbecken und grinst mich kumpelmäßig an. Ich grinse übertrieben zurück und mache einen Ausfallschritt auf ihn zu. Er zuckt zusammen und verschwindet.
    Ich klatsche mir etwas Wasser ins Gesicht und betrachte mich im Spiegel. Ich wirke sehr blass hier im Neonlicht. Meine Frisur sieht aus, als hätte mich jemand einmal an den Haaren durchs Festzelt gezogen. Die Augen sind
blutunterlaufen. Aber irgendwie steht mir das alles ziemlich gut.
    Richtig gefährlich sehe ich aus.
    Wie viel kann ein Mensch eigentlich saufen?
    Auf der Treppe nach draußen lege ich mich fast aufs Maul. Weil sie so schlammig und rutschig ist.
    Ich schwebe über den Platz. Alle Bewegungen sind flüssig.
    Eine Zigarette fällt mir runter. Ich hebe sie auf, sie ist dreckig, ich zerknülle sie in meiner Hand. Der Tabak bricht durch das Papier und zerbröselt zwischen meinen Fingern. Ich nehme eine neue, zünde sie an, inhaliere. Schwebe noch ein bisschen höher. Über mir nur noch Himmel und Sterne. Unter mir alles andere.
    Der Autoscooter ist nicht mehr in Betrieb, auch die Schießbude wird gerade zugeklappt. Auf dem Bootssteg steht eine Gruppe von Jungs, die die Mosel als Toilette benutzen. Sie haben sich gegenseitig die Arme um die Schultern gelegt und pinkeln synchron in den Fluss, der wie dickflüssiger Teer im Mondlicht schimmert. Einer stülpt seine Hosentaschen nach außen und rennt mit heraushängendem Schwanz an den anderen vorbei.
    Â»Guckt mal, Elefant!«
    Es ist der Typ mit dem »Saufen bis der Notarzt kommt«-T-Shirt. Eduardo würde über diesen Witz herzlich lachen. Überhaupt würde Eduardo sich hier prächtig amüsieren. Er passt hierher wie die Faust aufs Auge. Wie der Baseballschläger in die Magengrube.
    Der Platz hat sich geleert, dafür ist es im Zelt jetzt rappelvoll. Die Band spielt gerade »Ich war noch niemals in New York«. Feuchte Luft strömt aus dem Zelteingang. Am sogenannten Bierkarussell bestelle ich bei einem Mann mit rotem Gesicht fünf braune Tequila.

    Der Mann schüttelt den Kopf. »Tequila haben wir nicht.«
    Â»Anderen Schnaps?«
    Â»Wodka, Korn oder Obstbrand.«
    Â»Dann Wodka.«
    Er holt eine Flasche Billigwodka hervor, Zaranoff oder Jelzin oder so ein Fusel, den wir nicht mal unseren Dive-Bar-Gästen auftischen würden. Aber was soll’s, besser als nichts.
    Die beiden Männer neben mir streiten darüber, wer von ihnen mehr getrunken hat.
    Â»Ich hab schon mehr kleine Bitburger intus wie du.«
    Â»Aber ich hatte auch noch den Prosecco. Und den Kräuter hatten wir noch!«
    Â»Der Kräuter war gut.«
    Â»Ja, der Kräuter war gut.«
    Â»Ich muss den Kalle mal fragen, wo er den Kräuter herhat, das ist ein geiler Schluck!«
    Â»Zweiunddreißig Prozent ist schon viel.«
    Â»Das ist gar nichts.«
    Â»Für’n Kräuter ist das viel!«
    Warte mal, sind das nicht zwei von den Stammtischbrüdern, Comicverkäufer und Handwerkertyp? Ach nee, doch nicht, bloß zwei Schnapsdrosseln, die so ähnlich aussehen. Ich sehe jetzt wirklich schon ein bisschen verschwommen.
    Â»In diesem Sinne, hinein in die Rinne!«
    Â»Durch diese Rinne, hinein in die Sinne!«
    Â»Stößchen!«
    Â»Stööööößcheeeeeen!«
    Haltet die Fresse haltet die Fresse haltet die Fresse.
    Â 
    Ich lasse einen Zehner auf den Tresen fallen und balanciere die Plastikgläser zurück zum Tisch. Dort angekommen, stolpere ich fast über Andreas Umhängetasche. Ich gerate ins
Straucheln, rudere mit den Armen in der Luft herum und verliere fast das Gleichgewicht, kann mich aber gerade noch halten. Wodka läuft mir über die

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