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Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman

Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman

Titel: Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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und seine Wanderung zur Bucht der Verlassenheit, aber sie verhielten sich ihm gegenüber nach wie vor gleichgültig.
    Die Schwangere lag ein wenig abseits und stöhnte. Die Alte kauerte in der Nähe ihres Kopfes und verbrannte Kräuter. Narbe verharrte zu ihren Füßen, vermutlich war er der Vater des ungeborenen Kindes.
    Niemand kümmerte sich ums Essen. Narcisse tauchte ins Meerwasser, und als er sah, dass nirgends Feuer brannte, beschloss er, an Ort und Stelle so viele Muscheln wie möglich zu verzehren. Er glaubte, einen kurzen dumpfen Schlag zu hören, der wie weit entfernter Kanonendonner klang. Vielleicht die Saint-Paul? Oder ein Baum, der im Busch umgestürzt war? Es fiel ihm nicht leicht, aber er beschloss, sich keine Hoffnungen zu machen, und aß weiter. Das Geräusch wiederholte sich nicht, und merkwürdigerweise war er froh darüber.
    Die Frau quälte sich den ganzen Tag. Ihr Stöhnen steigerte sichzu Schmerzensschreien und wurde dann wieder ein verzweifeltes Röcheln. Die um sie versammelten Mütter hatten einen leisen Singsang angestimmt, der nichts Gutes verhieß. Männer und Kinder hielten Abstand, sie waren sich bewusst, dass sie nicht gebraucht wurden. Chef lief zwischen den einzelnen Gruppen hin und her, hielt kurze Ansprachen und fuchtelte mit den Armen.
    Sie starb, als die Sonne hinter den Bäumen versank. Die Frauen empfingen den Tod mit Schreien und Weinen. Narbe kehrte niedergeschlagen zur Gruppe der Männer zurück. Die Mütter und die jungen Leute sammelten die Kinder ein und brachen einige Augenblicke darauf in den Busch auf. Die Alte, Waiakh und schließlich auch Quartiersmeister bedeuteten Narcisse, ihnen ohne Widerspruch zu folgen. Er gehorchte.
    Der Marsch durch den Busch war ernst und schweigend und dauerte bis zum Anbruch der Nacht. Alle schliefen dort, wo sie sich gerade befanden, und mit leeren Bäuchen. Bei Tagesanbruch liefen sie weiter und erreichten gegen Mittag eine weitere Bucht, die er die Runde Bucht nannte. Wenn man stramm immer geradeaus ging, war die Nordbucht von der Runden Bucht aus in drei Stunden zu erreichen, bis zur Bucht der Verlassenheit waren es also neun bis zehn Stunden. Doch wozu im Geiste Karten erstellen? Sein erster Ausbruchsversuch war ergebnislos verlaufen, und er hatte wieder zurückkehren müssen. Wollte er sich aufs Neue einen noch mühsameren Marsch zumuten, um dann, sobald er die Bucht des Vergessens erreicht hatte, abermals umzukehren?
    Waiakh kam auf ihn zu und wiederholte die beiden Worte: «Waiakh. Amglo», aber Narcisse ging nicht auf seine Annäherungsversuche ein. Um sich zu beschäftigen, baute er sich aus Ästen, die er zwischen zwei Büsche und einen Felsen klemmte, eine Hütte. In dieser Nacht würde er nicht wie ein Hund in einer Sandmulde schlafen, sondern in einer Art Häuschen.
    Dabei kam ihm ein Gedanke: Konnte er sich vielleicht ein Floß,eine Piroge oder ein improvisiertes leichtes Boot bauen und damit übers Meer flüchten? Wenn er immer der Küste folgte, war Sydney vermutlich in zwei Wochen zu erreichen – warum eigentlich zwei? Er hatte keine Ahnung, aber er hielt an dieser Einschätzung fest. Und auf offener See würde er vielleicht einem Schiff begegnen, das ihn retten würde.
    Er war allerdings nackt und hatte kein Messer mehr. Was würde er brauchen? Holz, Feuer, um das Holz zu härten, etwas, um das Ganze zusammenzuhalten. Ihm fehlte es an allem, und er hatte keine Idee, wie er vorgehen sollte, aber er hatte einen Plan, und das erfüllte ihn mit Freude. Die Wilden würden ihm nicht helfen, sie scherten sich nicht um ihn, doch immerhin würden sie sich ihm auch nicht in den Weg stellen. Ihre ständigen Wanderungen von einem Ort zum anderen waren ein Hindernis, aber vielleicht würden sie irgendwann ein paar Nächte am Meer bleiben. Dann musste er bereit sein.
    Welches Holz sollte er benutzen? In dem sandigen Busch gab es nur eine einzige Baumart. Dann gab es da noch die Mangrovenwälder mit ihren knorrigen Stämmen. Er brach von beiden Arten Äste unterschiedlicher Länge und Dicke ab, sammelte Zweige vom Boden, stapelte alles an einem Felsvorsprung auf und warf die Äste dann nacheinander ins Meer. Sie waren grau oder grün, gingen recht schnell unter und wurden von der Strömung weggetragen. Er ließ sich nicht entmutigen: Er musste weiter herumprobieren, die Äste in die Flamme halten und sich Schritt für Schritt an das beste Baumaterial herantasten.
    Eine floßähnliche Konstruktion zu bauen war nur eine

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