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Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman

Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman

Titel: Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Admiral, es ist vielleicht ein wenig ungenau, aber es lügt nicht. Ich hatte jeden Grund zu der Annahme, dass Pelletier tot war, es war wie bei einem Mann, der über Bord geht: Niemand ist bei seinen letzten Minuten dabei, und man findet keinen Leichnam, aber die Folgen sind, leider, klar.»
    Der Vergleich war treffend und gab ihm etwas Selbstvertrauen zurück. Weil er nicht weiter an Boden verlieren wollte, deutete der Admiral jetzt auf Narcisse:
    «Erkennen Sie diesen Mann?»
    «Nein, Admiral.»
    «Das ist Narcisse Pelletier.»
    Der Kapitän betrachtete ihn lange und schüttelte dann den Kopf:
    «Das alles liegt achtzehn Jahre zurück, ein junger Mann, den ich zwei Monate zuvor in Bordeaux angeheuert hatte, einer von dreißig Mann. Ich weiß nicht, ich erkenne ihn nicht.»
    Der Admiral stellte Narcisse die gleiche Frage, der, für mich wenig überraschend, Kapitän Porteret seinerseits nicht erkannte. Ein Offizier meldete sich zu Wort:
    «Matrose, du hast den Bericht des Kapitäns gehört. Haben sich die Dinge so zugetragen?»
    «Ja, Monsieur.»
    «Erinnerst du dich an den Augenblick, in dem du von den Kameraden getrennt wurdest?»
    «Nein.»
    «Hast du nach ihnen gesucht?»
    «Ich weiß es nicht.»
    «Hast du gehört, wie sie gerufen und gepfiffen und in die Luft geschossen haben?»
    «Ja … nein … ich weiß es nicht.»
    «Hast du am Strand für dich bestimmte Lebensmittel vorgefunden?»
    «Du erinnerst dich an nichts, was an jenem 5. November 1843 geschah?»
    Da es keinen Zeugen gab, wurden die Worte des Kapitäns Wahrheit. Ich wusste endlich, aufgrund welcher Verkettung von Ereignissen Narcisse in Australien gelandet war, doch blieb etwas ungeklärt: Warum hatte er die Abfahrt der Schaluppe verpasst? Warum hatte er sich entfernt? War er bewusstlos geworden? Hatten ihn die Wilden gefangen genommen und geknebelt? Wir werden es niemals erfahren.
    «Wenn du dich doch an nichts erinnerst, mein Guter», brummte der Admiral, «warum versicherst du uns, dass die Version des Kapitäns richtig ist?»
    Diese Bemerkung zeigte, dass er Zweifel hatte, doch entschied er sich, diese nicht vor uns zu äußern. Er war sichtlich enttäuscht, die Untersuchungskommission würde nicht ein lang vergessenes Drama aufdecken oder mutwilliges, von einem Kriminellen veranlasstes Zurücklassen bestrafen. Der Abschlussbericht würde in einem Aktenschrank verschwinden, und der Minister würde I.M. mit einer kurzen Nachricht beruhigen, ohne die Gelegenheit zu haben, den Namen und Eifer des Admirals zu erwähnen. Die Angelegenheit verlor an Glanz.
    Zur Rechten des Admirals saß ein Marinekapitän, der, wie mir schien, bis dahin geschlummert hatte und sich jetzt mit schwacher Stimme zu Wort meldete:
    «Etwas begreife ich nicht, Kapitän. Sie überqueren den Indischen Ozean unter schwierigen Verhältnissen, es gibt Tote, Verletzte, Sie haben kaum mehr Wasser an Bord. Sie folgen der australischen Westküste bis zu ihrer äußersten Nordspitze. Dann waren Sie doch in der Nähe von Java. Und laut Bordbuch war das nach der Abfahrt ausKapstadt auch Ihr Reiseziel. Warum haben Sie nicht weiter Kurs auf Norden genommen? Warum sind Sie der australischen Küste gefolgt und haben Niederländisch-Indien den Rücken gekehrt? Und mit jedem Tag entfernten Sie sich weiter davon.»
    Diese geografische Frage sorgte für Befangenheit. Der alte Kapitän schwankte sichtlich zwischen mehreren möglichen Antworten und stotterte schließlich, dass sein Schiff schwer zu manövrieren gewesen sei und er einen Kurs bevorzugt habe, bei dem er mit dem Wind segeln konnte.
    «Erzählen Sie uns nicht, dass Sie nicht mit Wind von Backbord segeln konnten … Es war nicht von Kreuzen die Rede …»
    «Wir entfernen uns vom Thema», meinte der Vorsitzende.
    «Entschuldigen Sie, Admiral. Eine letzte Frage. Nachdem Pelletier verschwunden war, fuhren Sie also mit Kranken an Bord und wenig Trinkwasser nach Sydney, mittlerweile sicherlich der nächstgelegene Hafen, und segelten nach kurzem Aufenthalt weiter nach China. Nach Java sind Sie niemals gekommen. Warum?»
    Der Kapitän war jetzt zutiefst betreten. Ich hatte keinen Zugang zum Bordbuch gehabt und verstand den Hintergrund dieser Frage daher nicht.
    «Nun ja … Beim Aufenthalt in Java davor, hatte es … Schwierigkeiten mit den Behörden gegeben. Man hatte mich des Betrugs bezichtigt …»
    «Des Schmuggels?»
    «Das alles ist schon lange her …»
    «Schmuggel?»
    «Sie hatten behauptet, ich wäre abgesegelt, ohne alle

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