Was mit Hass begann
ähnelte. Mike hatte kurze, stumpfe Wimpern, ziemlich schmale Lippen und neigte zum Dickwerden. Zudem war seine Stimme höher als Kanes tiefer, rollender Baß.
»Hei, Mike!« rief ich. »Wie geht es den Säuglingen?«
Mike drehte sich um. Ich merkte gleich, daß etwas nicht stimmte. Ich brauchte meine grauen Hirnzellen auch nicht sonderlich anzustrengen, um herauszufinden, was es war. Denn jetzt, zu spät, sah ich ein Paar Cowboystiefel verkehrt herum im Fahrzeug. Wie kommt es, daß Männer so gern mit dem Kopf nach unten auf den Vordersitzen liegen und an den Kabeln unter dem Armaturenbrett rumfummeln? Vielleicht, weil ihre Mütter ihnen endlich beigebracht haben, daß es von schlechten Manieren zeugt, sich auf den Fußboden zu legen und den Mädchen unter die Röcke zu schauen?
»Brauchst du den Schraubenschlüssel?« fragte Mike seinen Bruder. Wir beide hielten den Atem an. Vielleicht hatte Kane mich nicht gehört. Vielleicht steckte er bis über die Ohren zwischen den Kabeln und hatte nicht mitgekriegt, daß ich mich eben verraten hatte.
Aber ein Glückspilz bin ich ja nie gewesen.
Kane bemühte sich kein bißchen, seine Wut zu verbergen. Er zeigte sie offen. Ohne seinen Bruder oder mich anzusehen, wirbelte er herum, stieg aus und machte sich daran, den ersten besten Berg hinaufzuklettern. Geradewegs durch Unterholz und über Felsen. Er kam schnell vorwärts. Die Wut verlieh ihm Riesenkräfte.
Ich fand, daß er eine Erklärung verdient hätte, und stieg ihm nach.
»Was nun?« fragte er Cale, als sie ihn eingeholt hatte. »Soll ich dir einen Heiratsantrag machen?«
Sie überhörte die Ironie und tat auch nicht so, als wüßte sie nicht, wovon er sprach. »Es gibt bestimmt noch andere Menschen, die deinen Bruder von dir unterscheiden können.« Und dachte: vielleicht Kurzsichtige und Blinde.
»Ja, meine Mutter, manchmal mein Vater, meine jüngste Schwester ...« Seine Stimme wurde leiser. »Und meine Schwägerin.«
Ungläubig fragte sie: »Das sind alle?«
Er wandte ihr den Kopf zu. Das war nicht mehr der entzückte Cowboy, der auf dem Dachboden über sie hergefallen war. Er hatte eine Braue hochgezogen, und seine Nasenlöcher schnaubten. »In deinen Augen sehen wir uns also nicht ähnlich. Wegen der unterschiedlichen Wimpern und weil er dick wird, oder?«
Damit kam er der Wahrheit so nahe, daß sie es vorzog, es nicht zu bestätigen. »Dir ist doch klar, daß damit eure alte Legende keine Gültigkeit mehr hat?«
Mit unverändertem Gesichtsausdruck starrte er sie an. »Wie kommst du denn darauf?«
»Deine Frau konnte euch nicht auseinanderhalten, und doch wart ihr das Liebespaar des Jahrhunderts. Ich kann dich jederzeit von deinem Bruder unterscheiden, und trotzdem können wir uns beide nicht ausstehen.«
»Stimmt«, sagte er und sah weg. »Außer beim Sex.«
»Du solltest eine ganz normale Frau heiraten. Eine, die gern Ehefrau und Mutter ist. Die auf einer Ranch leben, reiten, Kühe melken und all das will. Vor allem eins: heirate nie, nie, nie eine Frau wegen eines einzigen großartigen ... ich meine, wegen eines ganz gewöhnlichen Sexerlebnisses. So was passiert schon mal. Ich möchte wetten, daß dir das bei jeder Gruppe, die du führst, einmal passiert ist - besonders bei New Yorker Frauen.«
Sie erwärmte sich allmählich an dem Thema. »In New York haben die Frauen große Angst, sich eine Krankheit zuzuziehen - was nicht heißen soll, daß ich einmalige Affären gutheiße. Aber bei einem großen, sauberen Cowboy, der sein ganzes Leben im reinen, unschuldigen Colorado verbracht hat, da fühlen sie sich sicher. Was kann man sich denn bei einem Cowboy holen? Maul- und Klauenseuche? Milzbrand? Oder ist es dasselbe? Jedenfalls ist uns das nun mal passiert. Zufälligerweise haben wir uns zur selben Zeit am selben Ort getroffen. Wenn an meiner Stelle Ruth da oben im Fenster gesessen hätte, dann wäre es ... eben ... Ruth gewesen, die du ...«
Sie hatte zuletzt immer langsamer gesprochen, und jetzt erkannte sie entsetzt, daß aus ihr Eifersucht sprach. Wenn, dachte sie. Wenn Ruth da gewesen wäre, dann hätte er sie vom Fenster weggezogen, dann hätte Kane mit Ruth ...
Sie stand auf und strich sich den Sand vom Hosenbein. »Es gibt Millionen Frauen. Du brauchst dich nur an sie ranzumachen. Bestimmt findest du eine, die eure Legende wieder wahr macht. Ich bin es nicht. Ich bin keine Prinzessin im Turm.«
Auf dem ganzen Weg bergab hoffte ich bei jedem Schritt, er würde mir nachkommen. Warum
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