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Was mit Hass begann

Titel: Was mit Hass begann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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die Schleusen gebrochen. Mit großer Ausführlichkeit erzählte er mir die Geschichte seiner Ehe. Sie sei also eine großgewachsene Frau mit langen Beinen und dichten, dunklen Haaren gewesen. Aha, dachte ich, daher seine Verliebtheit in Ruth. Sie war ja der gleiche Typ.
    Er fuhr fort zu erzählen. Liebe auf den ersten Blick. Beim näheren Kennenlernen: die gleichen Ansichten über Natur, Geschäft, Kunst, einfach über alles und jedes. Schnelle Heirat und eine glückliche Ehe. Was heißt glücklich: es war die ideale Ehe überhaupt. Nie Streit, keine häuslichen Auseinandersetzungen, nicht ein einziges Mal Ehekrach. Nur Liebe und Verständnis. Herrliche Spaziergänge, wunderbare Ausritte, großartiger Sex.
    Und doch, und doch ...
    Eine dunkle Wölke schwebte über dieser idealen Ehe. Etwas belastete unausgesprochen die beiden ineinander verliebten Partner. Kanes Eltern standen seiner Frau von Anfang an mit kühler Distanz gegenüber. Sie nahmen sie nie in ihre Familie auf. Und sie - vor allem ihre Mutter - gaben ihr deutlich zu verstehen, daß sie ihrer maßgeblichen Ansicht nach nicht die richtige Frau für ihn sei.
    Und warum? Weil sie die Zwillinge nicht auseinanderhalten konnte! Wenn Mike es darauf angelegt hätte -woran er natürlich nicht im Traum dachte -, dann hätte er sich bei ihr ohne weiteres für Kane ausgeben können.
    Doch damit hatten sich die beiden abgefunden. Sie führten weiterhin eine ideale Ehe. Wenn sie etwas vorschlug, sagte er begeistert ja. Wenn er wünschte, sie solle zum Ausgehen dieses oder jenes Kleid anziehen, dann stellte sich heraus, daß sie das gerade vorgehabt hatte.
    So ging das vielleicht eine halbe Stunde lang. Kane wurde nicht müde, mir zu versichern, was für eine fabelhafte Frau er gehabt habe. Doch ich konnte es bald nicht mehr hören.
    Ich dachte nämlich an einen früheren Verehrer, der sich, worum immer es sich handelte, stets meiner Meinung anschloß. Nie gab er mir Widerworte, nie sagte er: »Du irrst dich, Kleine.« Ich konnte den größten Unsinn vortragen, er sagte mit entzücktem Gesicht: »Genauso denke ich auch.«
    Alle meine Freundinnen sagten, ich hätte das große Los gezogen. Wie glücklich ich sein müßte, einen solchen Mann gefunden zu haben! Aber mich brachte er mit seiner Art zum Wahnsinn. Eines Abends sagte ich zu ihm, ich wolle heute italienisch essen gehen. Als er erwiderte, das sei auch seine Absicht gewesen, ging ich auf ihn los. »Und wenn ich nun chinesisch essen wollte?« schrie ich den armen Kerl an. »Zum Beispiel eine Pekingkatze? Hast du denn nie eine eigene Meinung? Kann man sich denn nie richtig mit dir darüber streiten, wo und was wir heute abend essen gehen wollen?«
    Unnötig zu sagen, daß der bewußte junge Mann sich danach nie mehr bei mir gemeldet hat.
    Ich habe schon längst die Erfahrung gemacht, daß die meisten Menschen in dieser Hinsicht nicht so veranlagt sind wie ich. Offenbar will die Mehrzahl in Frieden und vollkommener Harmonie Zusammenleben. Ich für mein Teil habe nie Sehnsucht nach solcher Ruhe gespürt. Offenbar geht mir der Sinn dafür völlig ab.
    Eben hatte er mir noch von seiner verstorbenen Frau erzählt, und jetzt säuselte er mir von der Frau seines Bruders die Ohren voll. Eine Zeitlang glaubte ich aus seinem Tonfall herauszuhören, daß er in sie verliebt wäre. Doch dann merkte ich, daß er mir in Wirklichkeit damit nur sagen wollte: Seine Eltern hätten Mikes Frau Samantha anerkannt und im Schoß der Familie aufgenommen, seine Frau dagegen nicht. Seine Stimme verriet tiefe Verärgerung, doch keinen Neid, und das freute mich wiederum.
    Was sollte ich nun tun? Ihm sagen, ich könne die Zwillingsbrüder - auch seine Söhne - mühelos auseinanderhalten? Ich glaube nicht an Magie - bei Zauberern schlafe ich glatt ein - und bin deshalb überzeugt, daß es in Amerika Hunderte von Frauen gibt, die Kane von seinem ganz anders aussehenden Bruder unterscheiden könnten. Wenn Kane zum zweitenmal heiratete, sollte er sich unter diesen eine Frau wählen, damit seine Familie sich endlich zufrieden gäbe.
    Noch einmal kam er auf seine Frau zu sprechen, diesen Ausbund an Mustergültigkeit. Ich mußte sehr an mich halten, um keine scharfen Zwischenbemerkungen zu machen. Gern hätte ich ihm bestätigt, daß sie eine vollkommene Ehe geführt hätten - nämlich eine vollkommen langweilige. Wenn sie noch am Leben wäre, hätten sie dann auch eine vollkommene Scheidung über die Bühne gehen lassen? Nun, vielleicht hätten sie sich

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