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Was mit Rose geschah

Was mit Rose geschah

Titel: Was mit Rose geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stef Penney
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Und Kath – Ihre Mutter? Hatte sie die beiden auch nicht mehr gesehen?«
    »Nein. Wir alle nicht. Ich weiß nicht, ob es Streit gegeben hatte oder so …«
    »In welchem Jahr ist Christina gestorben?«
    »1974. JJ war knapp zwei. Da haben meine Eltern wieder Kontakt zu mir aufgenommen. Ich glaube, es hat ihnen einen Schock versetzt – wir waren ja alle an die Krankheit gewöhnt, aber damals haben sie gemerkt, dass Menschen auch an anderen Dingen sterben können.«
    »Sie und Ivo wurden enge Freunde, als Sie zusammenwohnten?«
    »Wir sind ja verwandt.«
    Das klingt defensiv.
    »Hat es Sie überrascht, dass er nicht mehr geheiratet hat?«
    Ich merke, dass es allmählich ans Eingemachte geht. Sie will mich nicht ansehen.
    »Warum stellen Sie diese ganzen Fragen?«
    »Ich nehme an, ich möchte ihn verstehen.«
    Sie schnaubt verächtlich. »Vergessen Sie es! Niemand hat Ivo verstanden, selbst wir nicht!«
    »Nicht einmal Sie?«
    »Gerade ich nicht.«
    Ihre Stimme ist kaum mehr hörbar. Sie zupft an ihrem leeren Becher, reißt den Rand ein und biegt ihn zu einer winzigen Zinne.
    »Sie hatten ihn gern.«
    Ich sage es so sanft wie möglich. Dennoch bin ich wohl zu weit gegangen, denn sie antwortet nicht.
    Nach einer ganzen Weile sagt sie schließlich leise: »Er war nicht interessiert. Als Sie sagten, er hätte eine Freundin, dachte ich … das wäre der Grund.«
    »Glauben Sie, er hätte das vor Ihnen allen geheim halten können?«
    »Warum nicht? So war er eben …« Sie hebt wie in Abwehr die Hand. »Er ließ niemanden an sich ran.«
    Sie sieht mich müde an. Wir sind beide betrogen worden, genau wie Rose. Ivo und seine Geheimnisse, die ganze Geschichte wiederholt sich.
    »Jedenfalls ist er jetzt weg. Schluss, aus.« Sie steht schwerfällig auf und wirft den leeren Becher in den Mülleimer.

60
    Ray
    Der Herbst wird allmählich ungemütlich. Die verspätete Wärme ist rasch wieder entflohen, und die Bäume im Park färben sich bunt. Ich überquere die Straße und bemerke die ersten abgefallenen Blätter, die unter meinen Füßen am Asphalt kleben.
    Wie üblich komme ich früh am Morgen, damit er mir auf keinen Fall entwischt – obwohl für diese Zeit noch gar keine Termine vergeben werden. Heute bringt zum ersten Mal Lulu Christo ins Krankenhaus. Ich habe sie seit der Beerdigung nicht mehr gesehen – nicht weil ich nicht wollte, sondern weil ich mich wegen der vielen offenen Fragen absolut inkompetent fühle. Sie sieht genauso aus wie sonst … nein, besser. Sie scheint nicht überrascht, mich hier zu sehen. Vielleicht hat Sandra ihr von mir erzählt. Ich erlaube mir den flüchtigen Gedanken, dass sie deswegen gekommen ist.
    Nachdem sie Christo zum Physiotherapeuten gebracht hat, kommt sie zurück in die Eingangshalle. Sie wirkt angespannt. Ich vermutlich auch.
    »Hallo, Ray«, sagt sie.
    »Hallo, wie geht es Ihnen?«
    »Ganz gut. Und Ihnen?«
    »Kann nicht klagen. Was macht Christo?«
    »Es geht ihm gut. Sie sind hier recht zufrieden mit ihm. Er spricht jetzt ab und zu.«
    »Tatsächlich? Das ist wunderbar. Und es gibt eine Diagnose, wie Sandra mir sagte.«
    »Ja, auch wenn sie nicht sehr positiv ist.«
    »Immerhin wissen Sie jetzt, was er hat. Damit kann man doch besser umgehen, oder?«
    Lulu überlegt und sagt dann: »Ich denke schon.«
    Sie sitzt neben mir, so dass ich sie nicht richtig ansehen kann. Sie beobachtet zwei Kinder, die sich hoch oben auf dem Klettergerüst beäugen.
    »Was macht Ihre Arbeit – haben Sie viel zu tun?«, erkundigt sie sich.
    »Ja … und Sie?«
    »Ja. Sehr viel. Ich … arbeite nicht mehr in Richmond. Ich bin jetzt wieder in einem Heim.« Ihre Stimme verändert sich, klingt jetzt etwas höher.
    »Oh, und wie läuft es?«
    »Ganz gut.«
    Ich warte, dass sie mehr darüber erzählt.
    »Was macht Ihre Hand?«
    »Es geht. Noch ein bisschen taub. Aber die meisten Sachen kann ich machen.« Ich wackle mit der Hand, um zu zeigen, dass ich sie bewegen kann.
    »Das muss eine große Erleichterung sein.«
    »Ja, vor allem beim Autofahren. Und wenn man … Telefonnummern wählt – erstaunlich, was man alles für selbstverständlich hält …«
    »Ja.«
    Sie lächelt flüchtig. Das Blut pocht in meinen Ohren. Ich frage mich, ob das Lächeln eine Ermutigung sein soll.
    »Also … Ihr Job … ich meine, was für ein Heim ist das?«
    »Ein Altenheim. Die meisten Leute sind noch ganz in Ordnung. Nicht senil oder so, meine ich. Eigentlich ist es ganz nett. Und nicht weit entfernt.«
    »Gut. Ist mal eine

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