Was mit Rose geschah
riesengroß »1 a Würstchen« stand. Danny Sinclair und Ben Goldman – wer sonst? – sahen das und nannten mich ein Jahr lang »1 a Würstchen«. Manchmal holt sie mich in Großvaters BMW ab, das ist cool. Ganz selten kommen Großmutter oder Großvater mich abholen – aber erst wenn es ihnen passt. Ich habe schon endlos an irgendwelchen Straßenecken auf sie gewartet, was vermutlich sehr verdächtig aussah. Danach macht Mama meist einen Aufstand, aber dadurch werden sie auch nicht pünktlicher. Immer wenn sie sich über irgendwas beschwert, muss sie sich anhören, welches Glück sie hatte, dass die beiden sie – und mich – überhaupt zurückgenommen haben. Ich bin das Warten gewöhnt.
Einmal habe ich jemanden zu mir eingeladen, das war Stella Barclay. Ich war noch nicht lange auf der Schule und dachte, siewäre meine Freundin. Ich weiß nicht, ob Stella jetzt noch meine Freundin ist. In der Schule ist sie unheimlich nett zu mir, und wir haben uns ein paarmal richtig gut unterhalten. Sie mag dieselbe Musik wie ich – durch sie habe ich The Smiths kennengelernt, auf die ich total stehe, und nicht nur, weil ich auch Smith heiße. Aber jetzt ist sie mit einem Mädchen namens Katie Williams befreundet, und wenn sie zusammen sind, redet sie kaum noch mit mir. Als würde sie mich gar nicht mehr bemerken. Also dränge ich mich nicht auf.
Letztes Jahr war es jedenfalls so. Ich hatte ihr erzählt, dass ich in einem Wohnwagen lebe – damals noch auf dem städtischen Stellplatz –, und sie schien sich dafür zu interessieren. Also fragte ich Mama, ob ich eine Freundin zum Tee einladen dürfe. Sie war ein bisschen misstrauisch, sagte aber, das könne ich natürlich tun, solange ich ihr vorher Bescheid sagte, damit sie aufräumen und etwas Leckeres zu essen kaufen könne. Also fragte ich Stella, ob sie Lust hätte, und sie sagte ja. Mama war auch einverstanden, sie schlug den nächsten Tag vor, und das sagte ich auch Stella, aber sie hatte Judo, also ging es hin und her, bis wir uns auf einen Tag geeinigt hatten – es war ziemlich kompliziert, vor allem weil sie Judo und Klarinettenunterricht und Tanzkurs hatte. Ich habe keine zusätzlichen Kurse. An dem Tag holte Mama uns ab – pünktlich, weil ich es ihr fünfundzwanzigmal eingeschärft hatte. Sie war sogar zu früh dran. Sie war sehr nett und freundlich zu Stella – und hatte sich extra ein Kleid angezogen, das blaugraue, das ihr wirklich gut steht. Sie schien zu merken, dass es mir wichtig war, eine nett aussehende Mutter zu haben, darüber war ich richtig froh. Stella und Mama schienen sich gut zu verstehen, aber als wir auf den Platz kamen, begriff ich, dass ich einen ganz schrecklichen Fehler begangen hatte und niemals den Vorschlag hätte machen dürfen.
Stella betrachtete die Wohnwagen mit einer Mischung aus Angst und Faszination. Ich wusste, dass sie noch nie ein Zigeunerlager gesehen hatte. Vermutlich hatte sie Geschichtendarüber gehört, wie furchtbar und schmutzig Zigeuner sind. Ich nehme an, es sah ein bisschen komisch aus mit den Wohnwagen auf den Betonplatten, den ganzen Autos und den Müllsäcken. Überall liefen Hunde herum. Aber schmutzig war es nicht. Großvater kam aus seinem Wohnwagen und schaute Stella ziemlich unfreundlich an, sogar nachdem ich sie vorgestellt hatte. Er sagte hallo, aber sie schien Angst vor ihm zu haben.
Wir gingen in unseren Wohnwagen, den Mama wirklich nett hergerichtet hatte. Alles war – wie immer – blitzblank und sauber. Mama machte Tee und Brote. Sie hatte auch Kuchen gekauft.
Stella interessierte sich tatsächlich für den Wohnwagen. Sie schaute sich die Kochecke an und wunderte sich, dass es kein Spülbecken gab. Mama erklärte ihr, dass wir das Geschirr in verschiedenen Schüsseln waschen und das schmutzige Wasser draußen ausschütten. Spülwasser ist nämlich mokady , was noch schlimmer als schmutzig ist. Ich meine, ihr würdet eure Kleidung und die Sachen, die ihr in den Mund nehmt – so wie Gabeln –, doch auch nicht in derselben Schüssel waschen, das wäre doch ekelhaft, oder? Stella nickte und sagte, verstehe.
Wir konnten nicht in mein Zimmer gehen, weil ich keins habe. Also setzten wir uns auf die Sitzbank am Ende des Wohnwagens, wo der Ofen brannte, und Mama stellte langweilige Erwachsenenfragen nach Stellas Lieblingsfach und wie lange ihre Familie schon hier wohne. Zum ersten Mal fühlte ich mich in unserem Wohnwagen richtig unwohl; ich war nervös, als würden Krabbeltiere über mich laufen, die
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