Was mit Rose geschah
gesprochen?«
»Ja.«
Mehr sage ich nicht. Vielleicht ist sie ja ein bisschen neugierig, wenn es um ihre Familie geht.
»Ich muss nach Wimbledon. Auf dem Broadway dort gibt es ein Pub, The Green Man. In der Nähe des Theaters. Dort könnten wir uns treffen. Um neun. Für eine halbe Stunde. Nicht länger.«
»Vielen Dank, Miss Janko. Ich weiß es zu schätzen, dass Sie sich Zeit für mich nehmen. Bis später.«
Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, was ich von ihr noch erfahren kann. Ich bin mir nicht mal sicher, was ich sie fragen soll. Vielleicht sollte ich lieber das Lager unten in Hampshire ausspionieren, obwohl eine derartige Überwachung äußerst schwierig ist, da es keine Gebäude oder Fahrzeuge gibt, hinter denen ich in Deckung gehen kann. Ich müsste mit einem Teleobjektiv im Gebüsch herumschleichen wie ein Idiot. Zum Idioten kann ich mich auch morgen noch machen.
Diesmal wartet sie auf mich; ich bin pünktlich, sie ist zu früh dran und sitzt rauchend an einem Ecktisch. Sie ist lässiger gekleidet als beim letzten Mal, in Jeans und einem langen weiten Pullover, in dem sie noch kleiner wirkt. Hohe Absätze und Lippenstift wie beim letzten Mal; darauf scheint sie nicht zu verzichten, wenn sie aus dem Haus geht.
»Vielen Dank, dass Sie sich noch einmal mit mir treffen, Miss Janko. Was kann ich Ihnen holen?«
»Nur einen Tee, bitte. Und nennen Sie mich Lulu. Ich denke dauernd, Sie meinen jemand anders.«
»Lulu. Okay.«
Ich hole den Tee und ein halbes Pint für mich. Lieber nicht übertreiben.
»Wie geht es meinem Bruder?«
»Ich hatte keine Ahnung, dass er im Rollstuhl sitzt.«
Sie zuckt mit den Schultern und nippt an ihrem Tee.
»Das Leben auf der Straße muss sehr schwierig für ihn sein.«
»Er hat eine Familie, die sich um ihn kümmert.«
»Trotzdem …«
»Haben Sie etwas über Rose herausgefunden?«
»Eigentlich nicht. Ich wollte mit Ivo sprechen, aber Tene ist dagegen. Sagte, es würde ihn aufregen. Wo ist Ivo unterwegs?«
»Er fährt immer mit Tene zusammen, früher jedenfalls.«
»Sie sagten, er sei in den Fens.«
Sie zuckt wieder mit den Achseln; die abrupte Geste erinnertmich an Tene, auch wenn sonst überhaupt keine Ähnlichkeit zwischen ihnen besteht.
»Vielleicht stimmt es ja.«
»Sie wissen es nicht?«
»Wie gesagt, wir haben nicht viel miteinander zu tun. Ich habe sie seit etwa … drei Jahren nicht gesehen.«
»Aber mit Tene gesprochen?«
»Ja, er ist mein Bruder.«
»Natürlich. Ich habe auch Ihre Schwester kennengelernt. Und ich … hatte den Eindruck, dass Ivo auch da war. Warum wollen sie und Tene ihn wohl verstecken?«
Lulu sieht mich stirnrunzelnd an. »Meinen Sie, die beiden lügen?«
»Ich glaube, dass sie ihn schützen wollen. Aber wovor?«
»Wie gesagt, er ist wohl immer noch durcheinander deswegen. Und wenn er nichts weiß …«
»Die Leute wissen meist mehr, als sie denken.«
»Fragen Sie mich deshalb, wo mein Neffe ist? Obwohl ich Ihnen gesagt habe, dass ich es nicht weiß?«
Ich nicke. »Kann schon sein. Und Sie haben Telefon.«
Sie schüttelt lächelnd den Kopf und blickt zur Decke.
Ich frage mich, ob wir gerade miteinander flirten.
»Rose hat sich vor langer Zeit davongemacht. Sie wollte nichts mit ihnen zu tun haben. Warum sollten sie sich für sie interessieren? Oder für irgendjemanden, der sich nach ihr erkundigt?«
Ich trinke noch einen Schluck Bier, merke, dass das Glas schon fast leer ist. Ihr Tee dampft noch.
»Also, warum besuchen Sie Ihre Familie nie?«
Lulu seufzt. »Sie mögen ihn, was?«
»Tene? Ich … er ist eine charismatische Erscheinung.«
Vermutlich hat sie recht. Ich mag ihn.
»Klar, charismatisch.« Aus ihrem Mund klingt es wie ein Schimpfwort. »Sie posaunen nicht herum, dass Sie ein Zigeunersind, oder? Ich auch nicht. Tene schon. Die große Show. Nur ist es keine Show. Ein Rom zu sein kommt bei ihm immer an erster Stelle, alles andere ist zweitrangig.«
Sie schüttelt den Kopf, weicht meinem Blick jetzt aus. »Für mich ist es nicht das Wichtigste auf der Welt. Man kann nicht mehr so leben, oder? Dieses ständige Gerede von den alten Zeiten und dem ›wahren schwarzen Blut‹. Als hätte es das je gegeben.«
Schon wieder dieser Ausdruck.
»Und für Tene ist es wichtig?«
»Natürlich. Nicht nur das Blut. Auch die Kultur – das ganze Leben. Einfach losziehen zu können … nicht gezwungen zu sein, in einem Haus zu wohnen.«
»So wie ich.«
»Und ich. Ich bin die Verräterin.«
»Das ist ein hartes
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