Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was mit Rose geschah

Was mit Rose geschah

Titel: Was mit Rose geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stef Penney
Vom Netzwerk:
roten Händen nicht – eine hässliche, angsteinflößende Fremde, die in meinem Wohnwagen steht.
    Ich spreche in sehr kühlem Ton. »Du redest von Stolz. Was hast du denn neulich mit Onkel Ivo gemacht, als ich nach Hause gekommen bin? Ich habe euch gesehen.«
    Die fremde Mama scheint vor der Arbeitsplatte zu erstarren. Ihre Lippen bewegen sich, doch kein Laut ist zu hören. Dann steigt eine hässliche Röte in ihre Wangen; sie sieht so schuldbewusst und beschämt aus, dass sie gar nichts sagen muss.
    »Ich weiß nicht, wovon du redest.«
    Ich lache irgendwie nervös, dümmlich. Keine Ahnung, warum. In diesem Augenblick weiß ich nur, dass ich sie hasse. Ich hasse sie und verachte mich selbst.
    »Lass dieses Grinsen. Du weißt gar nichts.«
    »Ach, nein?«
    »Nein.«
    »Du brauchst nichts zu sagen. Ich hab es mit eigenen Augen gesehen.«
    Ihre Augen scheinen immer größer zu werden. Sie ist jetzt auch sehr, sehr wütend. Ich frage mich, ob sie es zugeben und sagen wird, dass Ivo mein richtiger Vater ist, oder so etwas in die Richtung.
    Ich warte ab. Nichts kann mich noch überraschen.
    Sie sagt es nicht; stattdessen geht jetzt alles ganz langsam wie in einem Actionfilm, wenn etwas explodiert. Alles wirkt kristallklar: Ich sehe jedes Molekül ihres geröteten Gesichts in einer verblüffend mikroskopischen Riesenaufnahme. Ich sehe es kommen, kann aber nichts dagegen tun, weil ich mich selbst auch nur ganz langsam bewege.
    Mama schlägt mich, ein richtig harter Schlag ins Gesicht mit ihrer nassen, seifigen Hand, genau auf den Wangenknochen. Es tut nicht besonders weh, ist aber ein Schock. Sie hat mich bestimmt seit fünf Jahren nicht mehr geschlagen. Ich bin doppelt so wütend wie zuvor. Von rot- zu weißglühend. Und ich bin auch froh, denn nun darf ich so böse sein, wie ich will.
    Ich lächle und spüre Wasser und Spülmittel über meine Wangelaufen, hinunter in meinen Hemdkragen. »Was wäre passiert, wenn ich nicht in dem Moment nach Hause gekommen wäre?«
    Zack.
    Mit der Rückhand. Diesmal trifft mich der Ring an ihrem Mittelfinger am Ohr. Blut pfeift und rauscht in meinem Kopf wie die Brandung in Tag der Entscheidung.
    »Kein Wunder, dass du dir keine Sorgen gemacht hast, wo ich bleibe.«
    Zack.
    Sie verliert die Kontrolle, streift nur noch meine Wange mit den Fingerspitzen, ohne Kraft. Sie sieht aus, als würde sie gleich weinen; ihre Wangen sind rot und weiß gefleckt, ihre Augen zusammengekniffen und glitzernd.
    »Verschwinde! Verschwinde!«
    Sie schreit es mit einer komisch tiefen Stimme, ganz heiser, und weil ich mich so böse und froh und vulkanisch und schrecklich finde, stoße ich so heftig gegen den Tisch, dass die Gläser auf den Boden fallen – gut! –, und dann bin ich weg.
    Es regnet. Egal. Wie konnte sie mich hinauswerfen, obwohl es regnet? Sie dürfte gar nicht meine Mutter sein. In den anderen Wohnwagen sind die Vorhänge geschlossen, so dass kaum Licht herausdringt. Vermutlich denkt Mama, ich würde zu Großmutter gehen und eine Tasse Tee trinken, oder zu Großonkel, aber das würde es ihr zu einfach machen. Ich werde verschwinden, wie sie gesagt hat.
    Zuerst aber breche ich in Ivos Wohnwagen ein. Er ist mit Christo in London beim Arzt. Ich schlage das Fenster in der Tür mit einem Stein ein. Ich höre nichts. Ich fühle nichts. Ich hoffe, dass ich mir die Hand daran aufschneide, aber es passiert nicht. Ich könnte blutüberströmt sein und keinen Schmerz spüren. Jetzt kann mich nichts mehr aufhalten. Drinnen schließe ich die Tür und stelle alles auf den Kopf.
    Rücksichtslos. Gründlich. Mr Lovell wäre stolz auf mich.
    Wieso? Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, wonach ich suche.Ich habe nur eine ganz undeutliche Vorstellung – suche ich etwas, das mir einen Hinweis auf Roses Verschwinden liefern kann? Oder das beweisen kann, dass Ivo mein Vater ist? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er Rose wirklich etwas angetan hat. Und das andere ist ja nur eine weithergeholte Idee. Aber ich will ihn bestrafen. Weil er einen verrückten Exorzismus durchgeführt und mich Zeuge hat werden lassen. Weil er mit Mama in meinem Wohnwagen war. Weil er sie dazu gebracht hat, sein Gesicht auf diese Weise zu berühren und sich dann weinend über die Arbeitsplatte zu beugen.
    Weil er mich dazu gebracht hat, sie zu hassen.
    Ich bin noch nie irgendwo eingebrochen. Ich habe noch nie etwas gestohlen. Das bin eigentlich gar nicht ich; der Vulkan ist schuld daran. ( Ich bin der Vulkan. ) Bin ich böse, weil ich

Weitere Kostenlose Bücher