Was mit Rose geschah
etwas Böses tue? Wenn ich hier etwas finde, das ein Verbrechen beweist, löscht das vielleicht das Böse aus und macht mich wieder gut. Letzten Endes ist es mir ohnehin egal. Ich finde tatsächlich etwas, wenn auch keinen Beweis für ein Verbrechen. Intime Frauensachen – ein bisschen ekelhaft, aber was machen sie hier? Sind sie noch von Rose? Weshalb hat er sie nicht weggeworfen? Oder … haben sie etwas mit Mama zu tun? Eigentlich beweist das gar nichts.
Und dann entdecke ich ganz hinten im Küchenschrank, hinter Putzsachen und alten Lappen, eine eng verschnürte Plastiktüte. Sie sieht aus wie ein Müllbeutel, aber wir bewahren unseren Müll nie im Wohnwagen auf – man bringt ihn hinaus, damit er nicht stinkt. Dann fällt mir ein, was Mr Lovell gesagt hat – dass man im Müll anderer Leute Geheimnisse finden kann –, und dieser Beutel steckte weit hinten im Schrank, wo niemand jemals hinschauen würde. Vorsichtig, damit das Plastik nicht zerreißt, mache ich ihn auf und dann … Angewidert presse ich mich an die gegenüberliegende Wand. Die Frauensachen sind bestimmt nicht von Rose, denn hier ist eine – benutzte. Ein dunkler, trockener Fleck. Der metallische Geruch überwältigtmich, bevor ich zurückweichen kann. Es ist so unglaublich mokady und kann auch mich mokady machen … habe ich es etwa angefasst? Ein Mann sollte so etwas niemals sehen, er sollte niemals davon hören. Denn es hat die Macht, ihn unrein werden zu lassen. Ich zittere. Trotzdem muss alles zurück in den Beutel, ich muss ihn wieder zubinden und im Schrank verstauen.
Es ist kein Beweis für ein Verbrechen oder sonst etwas wirklich Böses. Es ist nur ein Beweis dafür, dass sie mich belogen haben. Aber an diesem Abend in Ivos Wohnwagen einzubrechen, ist das Schlimmste, was ich je getan habe. Nichts bereue ich mehr.
29
Ray
Inzwischen ist es nach sechs, und alle anderen sind nach Hause gegangen. Wir warten eine weitere Stunde ab, falls Ivo doch noch zurückkommen sollte, aber er taucht nicht auf. Gavins Sekretärin telefoniert die örtlichen Notaufnahmen durch, aber es wurde niemand eingeliefert, auf den die Beschreibung passt. Ich weiß nicht, wo er den Lieferwagen geparkt hat, und Christos Antwort kann ich nicht verstehen. Also muss ich schließlich Lulu anrufen. Immerhin ist sie seine Blutsverwandte und hat ein Telefon. Und sie wohnt am nächsten. Zum Glück ist sie zu Hause.
»Sie sind wo ?« Ich habe gerade die Situation in knappen Worten geschildert. »Sie sind bei Christo? Beim Arzt?«
»Ja. Und Ivo ist verschwunden. Ein Familienmitglied muss bei ihm bleiben. Er muss in die Kinderklinik, in die Great Ormond Street.«
Schweigen.
»Eigentlich muss ich in zwanzig Minuten zur Arbeit«, sagt sie dann.
»Es tut mir wirklich leid. Ich wusste nicht, wen ich sonst anrufen soll. Ich bin nicht mit ihm verwandt, daher … jemand muss dabei sein und seine Zustimmung geben. Schriftlich.«
Ich meine am anderen Ende der Leitung einen Seufzer der Kapitulation zu hören.
»Und Sie glauben, Ivo kommt wirklich nicht zurück? Das muss er!«
»Er ist seit über drei Stunden weg.«
»Ich bringe ihn um.«
»Sie kommen also?«
Gavin ist großartig. Er bleibt da, bis Lulu eintrifft, was beinahe zwei Stunden dauert, und erklärt dann, was seiner Meinung nach gemacht werden sollte. Ich rechne immer noch damit, dass Ivo irgendwann zerknirscht wieder auftaucht und einen vernünftigen Grund vorbringt. Aber das tut er nicht. Schließlich bringt Gavin uns hinaus. Er winkt ab, als ich sage, dass ich ihm etwas schuldig sei. Ich habe allerdings keine Vorstellung, was ich für ihn tun könnte. Etwa kostenlos seiner Frau nachspionieren?
Ich hole mein Auto und fahre zur Klinik zurück, wo Lulu und Christo vor der Tür warten. Christo wirkt ruhig, trotz des ganzen Tohuwabohus um ihn herum. Lulu ist angespannt. Zum ersten Mal trägt sie keine hohen Absätze. Ich habe gleich einen Blick auf ihre Füße geworfen, als sie kam: Stoffturnschuhe, die richtige Wahl, wenn man jemandem den Arsch retten will. Wir gehen sehr höflich miteinander um. Keiner erwähnt die letzte Begegnung. Wir befinden uns wieder auf einer beruflichen Ebene. Und doch sitzen sie und dieser seltsame, bemitleidenswerte Junge in meinem Auto und nehmen meine Hilfe an. Also kann ich ihr doch irgendwie nützlich sein. Das ist in mancher Hinsicht intimer als jedes Abendessen.
Ich erkläre, wie wir überhaupt hierhergelangt sind, wie Ivo angeblich auf die Toilette wollte und nie zurückgekommen
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