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Was mit Rose geschah

Was mit Rose geschah

Titel: Was mit Rose geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stef Penney
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Notaufnahme gebracht haben. Jetzt bin ich selbst davon umgeben, darin gefangen. Vermutlich rieche ich sogar danach. Die Luft ist so trocken und künstlich, dass ich gar nicht richtig atmen kann. Und man hört ein ständiges Summen, das Gott weiß wo herkommt. Wenn es nach mir ginge, würde ich verschwinden, aber seit letzter Nacht geht es nicht mehr nach mir.
    Ein Schlauch mit einer Nadel am Ende hängt in meinem Arm und ist mit Klebeband befestigt, damit er nicht herausfällt. Die könnten alles in einen hineinpumpen, ohne dass man es merkt. Das ist mein rechter Arm. Der linke ist so dick verbunden, dass ich nicht sehe, wie angeschwollen oder rot er ist, aber ich weiß, dass er rot und angeschwollen ist – er fühlt sich an wie ein Hochofen und hämmert wie ein Motor. Meine Finger – dasbisschen, das ich von ihnen sehe – sind steif und geschwollen wie Würstchen und komisch gerötet. Vorhin bin ich aufgewacht und fühlte mich schrecklich: krank und heiß und dumm, aber irgendwie war mir alles egal. Ich konnte mich verschwommen daran erinnern, dass mich der Stadtrat und Mrs Williams ins Krankenhaus gebracht haben – sie war total nett, gar nicht sauer, sondern freundlich und besorgt. Sie streichelte mir die ganze Zeit übers Haar. Ich glaube, sie machte sich wirklich Sorgen um mich. Sie sagte ständig: »John, wie konnten sie nur?« Mit John meinte sie vermutlich den Stadtrat. Er wusste darauf offenbar auch keine Antwort.
    Aber kann das denn stimmen? Sie hätte Katie doch nicht allein gelassen. Vielleicht hat sie mich auch zu Hause gestreichelt, und dann hat nur er mich hergebracht. Ich kann mich wirklich nicht genau erinnern. Ich wüsste gern, ob Katie Schwierigkeiten bekommen hat, weil sie mich im Stall versteckt hat. Ich frage mich, ob sie gelogen und gesagt hat, sie wüsste von nichts. Ich frage mich, was sie wohl gerade macht. Obwohl, in Wirklichkeit ist es egal.
    Ich habe eine Art Kittel aus Papier an. Ich weiß nicht, wo meine Sachen sind. Ich habe keine Ahnung, ob jemand aus meiner Familie weiß, dass ich hier bin. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit. Ich meine, Katie wird ihnen sagen, was sie weiß, sie traut sich nicht zu lügen, und der Stadtrat hat mich neulich in der Nähe unseres Stellplatzes abgesetzt. Sie werden nicht lange brauchen, um Mama zu finden und ihr alles zu erzählen. Ich selbst habe gar nichts gesagt. Ich will es ihnen nicht zu einfach machen. Sie wird ohnehin sauer sein. Ich frage mich, ob sie überhaupt herkommt. Vielleicht ist sie auch zu wütend nach unserem Streit – ich kann mich nicht genau erinnern, was ich gesagt habe, aber ich habe mich ein bisschen geschämt. Was hat sie doch gleich zu mir gesagt? Auch das weiß ich nicht mehr.
    Ich wünschte, sie würde kommen. Ehrlich.
    »Kopf hoch, James.«
    Das ist die Krankenschwester. Ich kenne sie noch von letzter Nacht. Sie ist nett. Und ziemlich hübsch. Und jung. Sie beugt sich lächelnd über mich und legt die Hand auf meine Stirn. Es gefällt mir, wenn Leute das machen – solange die Hand nicht verschwitzt ist. Ihre ist warm und trocken.
    »Ooh, ich glaube, die Temperatur ist schon gesunken. Sollen wir mal nachschauen?«
    Sie zieht ein Thermometer hervor und schüttelt es. Ich öffne gehorsam den Mund – komisch, das macht man ganz automatisch. Im Krankenhaus wird man zum Baby.
    »Brauchst du die Bettpfanne?«
    Ich schüttle verlegen den Kopf. Hoffentlich werde ich nicht rot, ich fürchte schon. Im Grunde muss ich ja, aber das will ich ihr nicht sagen. Es gibt Grenzen. Da muss ich eben warten, bis eine der furchterregenden älteren Krankenschwestern kommt. Oder der Mann im hellblauen Overall mit dem roten Haar und den Leberflecken.
    »Okay … es ist schon ein bisschen gefallen. Sehr gut. Jung zu sein ist schon toll. Letzte Nacht warst du noch halb im Delirium. Und sieh dich jetzt an.«
    Sie lächelt wieder. Es ist schön, sie um mich zu haben. Erholsam. Obwohl ich mich zusammenreißen muss. Bei Katie habe ich mich nicht zusammengerissen, und das ist dabei herausgekommen. Es hat einen Vorteil, so krank zu sein: Ich kann in einem Papierkittel unter einer dünnen Decke liegen und darüber nachdenken, wie nett diese Krankenschwester ist und dass sich ihr blonder Pferdeschwanz sicher glatt und seidig anfühlt, ohne dass ich eine Erektion bekomme. Ein Wunder.
    Abends um neun taucht Mama auf. Die Besuchszeit ist fast vorbei, aber sie hat wohl eine Sondergenehmigung, weil sie meine Mutter ist und ich seit fast vierundzwanzig Stunden

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