Was mit Rose geschah
Missbrauch gedacht. Mr Millington war ihr Stiefvater, und man hört ja von solchen Dingen. Doch als ich Georgia danach fragte, lachte sie zornig.
Sieben Monate später wurde sie mit einem Hammer erschlagen aufgefunden, und man verhaftete Mr Millington. Er stritt nichts ab, doch schließlich stellte sich wegen einiger Ungereimtheiten in seiner Aussage heraus, dass seine Frau, derbesessene und besorgte Putzteufel, Georgia getötet hatte. Die eigene Mutter. Eine Frau, die unter Tobsuchtsanfällen litt und mit wahnhafter Eifersucht über ihren Mann wachte. Sie wollte ihn mit niemandem teilen, nicht einmal mit ihrer Tochter.
Weshalb hatte ich es nicht vorhergesehen? Hätte ich es verhindern können?
Danach verstand ich nichts mehr. Gar nichts.
Ich frage mich, ob meine Ehe nicht schon damals gescheitert war. Es war, nachdem ich Hen kennengelernt und er mir das Trinken beigebracht hatte. Trinken war nicht gerade der sinnvollste Weg, um die außerordentliche Gewalt zu vergessen, die man Georgia zugefügt hatte, aber bis zu einem gewissen Grad funktionierte es. Jen wurde es leid, dass ich ständig darüber redete, und wenn ich trank, hörte ich damit auf. Doch wenn ich nicht darüber redete, kreisten meine Gedanken wie Haie unter der Oberfläche und fraßen mich auf.
Als ich am nächsten Morgen die Hauptstraße erreiche, biege ich ohne nachzudenken nach rechts statt nach links ab. Mag sein, dass ich Lulu gestern Abend versprochen habe, ihre Familie aufzusuchen und ihnen von dem Fund zu erzählen, doch mein Versprechen Rose gegenüber ist älter. Wenn ihr schon im Leben niemand zugehört hat, werde ich verdammt noch mal alles tun, um ihr jetzt zuzuhören. Ich ertappe mich dabei, wie ich hörbar eine Entschuldigung vor mich hin murmele. An der Vergangenheit kann ich nichts ändern. Bei Georgia war mir ein schrecklicher Fehler unterlaufen, damals hätte ich etwas tun können – ich war ja da . Rose kann ich natürlich nicht retten. Was geschehen ist, ist geschehen. Aber ich kann wenigstens herauszufinden versuchen, was genau sich zugetragen hat.
Als ich in der Nähe des Tores anhalte, traue ich zunächst meinen Augen nicht; es sieht alles so anders aus. Dann wird mir klar, dass der Fluss den Black Patch über Nacht für sich beansprucht hat.
Das Gelände sieht bei Hochwasser besser aus. Die vernarbte Erde liegt unter einem Tuch aus braunem Wasser. Die Bäume, die Stahlstützen für die Häuserfundamente und die Pfähle, mit denen die Polizei den Tatort markiert hat, ragen noch hervor. Ansonsten ist von der Baustelle nichts mehr zu sehen bis auf einen Bagger, der allein und gestrandet sein gelbes Maul zum Himmel reckt. Das grüne Zelt steht auch noch da, in sich zusammengesunken, wie ein verloren gegangener Hut in einer Pfütze.
Ich steige aus, ziehe meine noch feuchten Stiefel an und gehe zu dem jungen Polizeibeamten, der hier Dienst schiebt. Es regnet wieder, ein stetes Nieseln, und er zittert vor Kälte, obwohl wir Ende Juli haben und er ein regendichtes Cape trägt wie ein viktorianischer Detektiv. Er heißt Derek. Er raucht nicht, ist aber froh, mit jemandem reden zu können, selbst wenn es ein Privatdetektiv ist. Ich erzähle ihm ein paar Geschichten und deute an, ich hätte Informationen. Schließlich lacht er.
»Ich kann Ihnen nichts sagen, Kumpel. Ich weiß nämlich nichts!«
Ich zeige ihm die Bilder von Rose und erzähle von ihr, worauf ihm das Lachen vergeht.
»Es hieß«, sagt er jetzt, »dass es ein Kind oder eine junge Frau gewesen sein könnte, wegen der Länge der Armknochen. Aber auch nur vielleicht. Wir müssen abwarten, bis das Wasser abgelaufen ist und sie weitersuchen können. Das wissen Sie aber nicht von mir, ja? Es gibt nämlich keinen Beweis. Die Knochen können seit fünf Jahren hier liegen oder auch seit fünfundzwanzig. Es ist einfach noch nicht raus.«
Dass anhand einiger Knochenstücke von Arm, Rippe und Wirbelsäule keine Todesursache festgestellt werden kann, überrascht wenig. Es waren nur Splitter. Der Bagger ist mitten durch das Grab gepflügt.
»Was glauben Sie, wann das Wasser abläuft?«
Er zuckt mit den Schultern und gibt ein leises Schnauben vonsich. Er scheint nicht viel übrig zu haben für Menschen, die das Wasser ignorieren, sich nicht darum scheren, wo es Hochwasser gibt, immer gegeben hat.
»Verrückt, was? Hier zu bauen. Das Schicksal herauszufordern.«
»Sie würden also nicht hierherziehen, Derek? In eins dieser netten neuen Häuser?«
Er lacht wieder. »Soll das
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