Was Oma und Opa noch wussten
zu rechnen. Saubere Kleidung gibt es bald nicht mehr, Toiletten sind möglicherweise verstopft und die Körperhygiene wird weiter abnehmen. Die Gefahr der Ausbreitung von Krankheiten steigt z. B. durch die Vermehrung von Krankheits- überträgern, Parasiten und Schädlingen, die deshalb auch häufiger in Wohnräume eindringen können. Wasser bekommt unter solchen Umständen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine derart basale Bedeu- tung, dass dessen Bereitstellung zu den wichtigsten Aufgaben im Ka- tastrophenfall gehört. Die Bedeutung alternativer Wasserquellen steigt stark an.«
Der große Bluff mit den Lebensmitteldepots
Nun gibt es im deutschsprachigen Raum selbstverständlich ein staat- liches System der Notbevorratung für extreme Krisenzeiten. Im Kata- strophenfall (etwa bei großräumiger Verstrahlung nach einem Reak- torunfall oder bei bürgerkriegsähnlichen Zuständen an unseren Grenzen) hat der Staat die Möglichkeit, Lebensmittelgrundvorräte zu verteilen und er kann die Zuteilung von Saatgut, Dünge- und Futter- mitteln regeln. Klar ist: Wenn aufgrund einer Krise nicht mehr genü- gend Lebensmittel zur Verfügung stehen, dann ist Schluss mit dem Schlaraffenland der übervollen Regale. Der Staat setzt dann fest, was dem Bürger an Fleisch, Wurst, Brot und anderen Nahrungsmitteln in einem bestimmten Zeitraum zusteht. Dafür wurde ein System der Lebensmittelkarten vorbereitet. Doch Organisation und Zuteilung benötigen Zeit. Wenn morgen aus irgendeinem Grund die Regale in den Supermärkten leergekauft sind, dann vergehen mindestens zwei Wochen, bis man im Notfall eine Lebensmittelkarte verwenden kann, für die man dann eine Grundration an Nahrungsmitteln an einer Verteilstelle bekommt. Viele Menschen wissen das nicht. Weitaus gravierender noch: Sie wollen es gar nicht wissen.
In Deutschland gibt es etwa 150 von der Bundesregierung gemietete Depots, die in der Theorie über das ganze Land verteilt sind. Ihre Standorte sind geheim. Schließlich sollen sie im Krisenfall nicht ge- plündert werden. Seit 1997 gibt es die staatliche Vorgabe, dass diese Lager in der Nähe von Ballungsgebieten und Mühlen, aber nicht in Nachbarschaft von Militäreinrichtungen oder großtechnischen Anla- gen liegen sollen. In einem dicht besiedelten Land wie Deutschland konnten diese Vorgaben jedoch nicht berücksichtigt werden. Schließ- lich gab es noch einen ganz anderen Punkt, der das geheime Konzept zerstörte: Im Umfeld von Ballungsgebieten sind die großen Lagerräu- me auf Dauer viel zu teuer. Die Wahrheit lautet: Die meisten Lebens- mitteldepots der Bundesregierung wurden in unmittelbarer Nähe zu Kernkraftwerken oder Erdölraffinerien angemietet und sind teilweise mehr als hundert Straßenkilometer von Ballungsgebieten oder Ver- arbeitungsbetrieben entfernt. In der Region Rhein/Neckar und Stutt- gart gibt es beispielsweise kaum staatlich angemietete Lagerflächen. Und die für alle Deutschen eingelagerten Vorräte an Kondensmilch befinden sich bei vier milchverarbeitenden Betrieben in Niedersach- sen und Nordrhein-Westfalen. Offiziell dürfen die Lebensmittel ma- ximal zehn Jahre eingelagert werden. Danach müssen sie durch fri- sche ersetzt werden. Doch der Staat ist pleite. Man spricht nicht darüber, dass man die Notvorräte schon seit Jahren nicht mehr aus- tauscht. Wenn Sie im Krisenfall also Hunger und Durst haben, dann bekommen Sie - wenn überhaupt - uralte Waren. Und die lagern zu- dem meist so weit entfernt, dass man sich im Zweifelsfall besser selbst hilft.
Denn die Bundesländer müssten die Bundesregierung erst einmal formell um Hilfe bitten und mitteilen, wie viele Lebensmittel sie für wie viele Menschen benötigen. Die erste Woche der abrupten Versor- gungskrise gehört dann der Bürokratie. Die Bundesländer bekom- men irgendwann von der Bundesregierung mitgeteilt, wo sie die Vor- räte abholen können. Für Transport und Weiterverarbeitung sind nämlich die Länder zuständig. Sind die Tankstellen geschlossen und findet sich keine Spedition, dann ist guter Rat teuer. Denn es gibt für diese Situation keinen Notfallplan. Schließlich ist ja noch nie etwas passiert. Selbst wenn die Notvorräte zu den Menschen gebracht wer- den, dann reichen sie nur für wenige Tage. Zudem kritisierte der Bundesrechnungshof: Die Ernährungsnotfallvorsorge sei »nicht aus- reichend in weitere Überlegungen zur Krisenbewältigung einbezo- gen«. Die Schnittstellen zu Trinkwasserversorgung, Verkehr, Energie und
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