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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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höchstens einmal alle vier Jahre?
Reparierst du dein Motorrad im Wohnzimmer, restaurierst seit 20 Jahren ein altes Auto in der Garage oder baust gerade an einem Boot?
Behauptest du, dass Marmite besser schmeckt als Vegemite?
Kennst du jemanden, der jemanden kennt, der schon mal einen echten Kiwivogel im Arm gehalten hat?
Sagst du ›Sorry!‹, wenn du für jemanden aufstehen musst oder man dir auf den Fuß tritt?
Magst du immer noch Lammbraten?
    Eigentlich kann ich nur die erste und die letzte Frage mit Sicherheit mit »Ja« beantworten. Beschämend. Für die neuseeländische Staatsbürgerschaft wird das wohl kaum ausreichen. Ich sollte mir bald mal von Baxter einen Anhänger leihen und Einparken üben.
    Das viele Listenlesen hat mich inspiriert. Zu Hause setze ich mich an meinen Laptop. Eine Reisewarnung für zukünftige Gäste kann eigentlich nicht schaden. Neckermann macht das doch sicher genauso. Einen Versuch ist es wert.
     
Halten Sie sich genau an die Vorgaben für Mitbringsel. Haben Ihre Gastgeber sich Lakritz gewünscht, dann sollten Sie diese tütenweise besorgen und sie nicht gegen Maoam eintauschen, weil das Lakritz ›sich so hart anfühlte‹. Merke: Manche mögen es hart. Ebenso verfahren Sie beim Mitschleppen erwünschter Zeitschriften, auch wenn Ihre Gastgeber auf schwere Sorten stehen. Verhandeln Sie gnadenlos mit dem Bodenpersonal und lassen Sie sich niemals Übergepäckgebühr aufbrummen – ein Anfängerfehler, der auf Ihre Kosten geht.
Tragen Sie bitte keine lilafarbenen Fleecewesten, Sandalen mit Socken und ähnliches Tuch, was Sie und Ihre Gastgeber in unvorteilhaftes Licht rückt und der Völkerverständigung schadet.
Strecken Sie nicht jedem, der Ihnen zwischen Supermarkt und Strand vorgestellt wird, die Pranke entgegen. Ein Lächeln statt zwanghaftem germanischem Händeschütteln überwindet alle kulturellen Schranken.
Verlängern Sie niemals die Zeit, die Ihnen als Bleiberecht eingeräumt wurde, auf eigene Faust. Wenn niemand bittet, dass Sie länger bleiben mögen, dann hat das seine guten Gründe. Sie haben nichts mit Ihnen persönlich zu tun, sondern damit, dass Sie Tourist sind, frisch angekommen und entsprechend strapaziös.
Hängen Sie bitte, bitte, bitte das Wort ›please‹ an jede Bestellung an. Ohne ›please‹ klingt Ihr Wunsch für jeden Kellner wie eine Ohrfeige. Für Fortgeschrittene: ›Thank you‹ spricht sich leichter aus als ›Unerhört, da fehlt doch ein Löffel!‹ oder ›Na endlich, ich habe zehn Minuten gewartet‹.
Reden Sie nur über Ihre verrückte Jugend, Ihre Analyse der letzten Bundestagswahl und die Tücken Ihres anspruchsvollen Berufes, der Ihnen für »euer kleines Paradies hier« gerade mal zwei Wochen Zeit lässt, wenn Sie ausdrücklich danach gefragt werden. Machen Sie sich darauf gefasst, dass niemand fragt.
Sie bekommen Kost und Logis nicht umsonst, sondern haben mit Interesse und Begeisterung für das Ihnen Dargebotene zu bezahlen. Dass der Jetlag Sie kaum aufnahmefähig macht und Sie wie im Nebel agieren, haben Sie tunlichst zu überspielen.
Insidertipp: Spielverderber werden frühmorgens vom Kind der Gastgeber geweckt, wenn sie nach der ersten schlaflosen Nacht gerade die Augen zugemacht haben.
Sollte es Ihnen dennoch ausgezeichnet gefallen haben, dann geben Sie die Adresse Ihrer Gastgeber auf keinen Fall an Ihre Nachbarn, Kollegen und Internetbekanntschaften weiter.
                
    An diesem Morgen trete ich früher als sonst vor die Tür. Während ich mir den Schlaf aus den Augen reibe und Richtung Einfahrt tapse, um die Zeitung aufzuheben, wandert mein Blick abwesend über das Panorama von Lyttelton. Das Haus, in dem wir wohnen, steht an einem Hang, zu dessen Füßen der Hafen liegt, rechts und links gesäumt von vulkanischem Fels und grünen Hügeln. Es ist ein schöner Blick, vor allem nachts, wenn man die Container und Kräne nicht sieht, aber alles dort unten funkelt und blinkt.
    Doch in der klaren Morgensonne bleibt nichts verborgen. Erst schlaftrunken, dann schlagartig hellwach nehme ich wahr, dass etwas Weißes von gigantischem Ausmaß seine Schnauze von links her in den Hafen schiebt – so klammheimlich und gleichzeitig unausweichlich wie ein Nebelschwaden in einem Stephen-King-Film, und der bringt bekanntlich nichts Gutes. Alles bleibt ruhig, die Sonne scheint weiter und die Vögel zwitschern, aber der unschuldige Winterschlaf von Lyttelton ist vorbei. Das erste Kreuzfahrtschiff der Saison hat angelegt.
    Der Zeitung

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