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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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neuseeländische Berg dem Fujiyama so ähnlich sieht. Dummerweise fühlten die ortsansässigen Maori ihr Heiligtum durch die Dreharbeiten entweiht. Dem Eingeborenenstress entfloh der stramme Scientologe nicht durch Harakiri, sondern indem er sich auf der Südinsel am malerischen See von Wanaka entspannte. Die Gefühlsausschläge ob des Alpenpanoramas waren wohl mit dem E-Meter nicht mehr auszumerzen. Die Spätfolge: In ›Mission Impossible 3‹ wird der Lake Wanaka gleich zweimal erwähnt. Spezialagent Ethan Hunt hat dort laut Drehbuch einst ein Wochenende mit seiner Verlobten verbracht. Später, als es ums Retten der gekidnappten Schönen geht, fragt der Filmheld sie nach dem Namen des Sees, um zu sehen, ob seine Holde noch lebt. Codewort »Wanaka«. Ganz großes Kino.
    »Eines nehme ich Peter Jackson übel«, sage ich, als Lukas seinen Laptop zwischen unsere Kaffeebecher auf den Küchentisch schiebt. Auf dem Bildschirm bewegen sich zwei silberne Schnäbel, die in rohes Fleisch pieken und einen weißlichen Lappen hervorziehen. Otto klebt fast mit der Nase davor.
    »Hmm. Dass er gerade ›Dambusters‹ produziert, diesen Kriegsschinken?« Lukas klingt abwesend. Morgen operiert er erstmals eine Prostata per Roboter und guckt daher pausenlos das Bedienungsvideo.
    Er nimmt den Blick nicht vom Schirm. Das Video lief schon heute früh nebenher beim Frühstück. Hoffentlich bekommt unser Kleiner davon keinen Schaden.
    »Nein, dass er seine Heimat in Hollywood salonfähig gemacht hat. Früher wusste doch keine Kuh in Malibu, wo Neuseeland überhaupt liegt.«
    »Und dass man hier die Einwegspritze, die Schiedsrichterpfeife und den Briefmarkenautomaten erfunden hat.«
    Auf Weltkarten wird Neuseeland immer gerne mal vergessen. Es fehlt zum Beispiel auf der riesigen Globusansicht am Eingang der Universal Studios in Hollywood. Pech, wenn man so weit unten am rechten Kartenrand hängt und für eine australische Insel gehalten wird. Alle Jahre wieder muss die Tourismusbehörde sich daher was einfallen lassen, um Menschen in fernen Ländern zu beweisen, dass es Neuseeland wirklich gibt. Die ›Herr der Ringe‹-Verfilmung kam da wie gerufen. Das ist jetzt alles auch schon wieder ein Weilchen her. Seitdem: nada, niente, und nicht mal die letzte Rugby-Weltmeisterschaft gewonnen. Also musste der Premierminister persönlich ran, um das Produkt NZ unter die Leute zu bringen. Was machte er in seiner Verzweiflung? Er ging zu David Letterman.
    »Mach du mir den Kiwi«, hat Dave wohl so oder ähnlich gesagt, »ich mach euch die Promo.« Ganz Neuseeland war in Aufregung: Der farblose John Key, der die Aura eines Filialleiters der örtlichen Bausparkasse verströmt, gerät in die Fänge des bissigsten Talkmasters der Welt – wie wird er sich im Interview schlagen? Blamiert er sich und damit alle Kiwis? Lacht man im Fernsehstudio über seinen eingeborenen Dialekt? Entfahren ihm wieder Wortschöpfungen wie letztens ›Afghanistanians‹, wenn er Afghanen meint? Bei seiner Vorgängerin, der bärbeißigen Helen Clark, brauchte man sich solche Sorgen nicht zu machen. Die hatte Format.
    Der Premierminister wirkte nervös, aber verhaspelte sich zumindest nicht. Letterman sprach einmal von ›New England‹ statt ›New Zealand‹ und fand es drollig, dass die Bewohner sich dort ›Kiwis‹ nennen. So weit, so peinlich. Dann brachte John Key seine zehn »Gründe, warum man Neuseeland besuchen sollte«, vor – die hatten ihm Gag-Schreiber in Absprache mit dem Zentralkomitee der Neuseelandwerbung vorformuliert. Die drei besten: »Wir fahren auf der linken Seite, wie die Briten und Lindsay Lohan.« »Besuchen Sie mich in den nächsten 30 Tagen, ich hole Sie vom Flughafen ab.« »Es ist wie England ohne die Attitüde.« Er hat ganze Arbeit geleistet. Jetzt rücken sie alle an.
    »Das deutsche Fernsehen dreht in Queenstown«, sage ich zu Lukas. Die Schnäbel fangen in fünffacher Vergrößerung an, mit ihren Zangen zu nähen. Bin ich froh, dass ich keine Prostata habe. »Dietmar Sägel ist schon nächste Woche am Set. Wir treffen uns dort. Er plant einen ›Ausflug in die Umgebung‹ mit mir.«
    Auf dem Bildschirm wabbelt rohes Fleisch. Tiefrote Öffnungen tun sich wie Schlünde auf. Lukas reißt sich für eine Sekunde vom OP -Porno los. Als er meine gequälte Miene sieht, muss er lächeln.
    »Rate mal, wer gerade ein Ferienhaus in Queenstown baut«, sagt er. Mein Mann ist wirklich ein Genie darin, andere aufzuheitern. »Arnold

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