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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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Schwarzenegger.«

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    Bergvagabunden
    BENOMMEN VOM FLUG blinzele ich in die Mittagssonne. Schneegipfel. Grüne Hügel. Die silbern funkelnden Stufen der Gangway und eine Stewardess, die mir freundlich einen schönen Tag wünscht. Das Licht kommt mir noch intensiver vor, die Luft überm Rollfeld noch klarer als in Christchurch. Der Flughafen ist klein. Weißer Stein, viel Glas. Überschaubar und stilvoll möbliert ist auch die Ankunftshalle. Auf einem weinroten Sofa sitzt Dietmar Sägel, vor sich eine Cappuccinotasse und ein leeres Weinglas, neben sich eine junge Frau hinter einer großen Sonnenbrille. Verschwunden ist der blonde Schnäuzer. Jetzt trägt er einen Drei-Tage-Bart mit Graustich.
    Er steht auf und streicht sich das eng überm Bauch sitzende Polohemd glatt. Offensichtlich hat auch er mich wiedererkannt. Das ist beruhigend, nach fast zwanzig Jahren.
    »Na, so trifft man sich wieder! Ich denke, wir können uns duzen?«
    Er schüttelt meine Hand und drückt mir dabei links und rechts ein angedeutetes Küsschen auf. Ich rieche Aftershave und Rotwein.
    »Mensch, Ditze! Hast es geschafft!«
    »Dietmar«, korrigiert er mich mit schnellem Seitenblick auf seine Begleiterin.
    Erst jetzt fällt mir auf, wie viel Ähnlichkeit er mit Dieter Bohlen hat, auch wenn mein Kollege rund zehn Jahre jünger ist als der Sänger. Ähnlicher Vorname, ähnlicher Kastenkiefer, ähnlich blonde Haare, aber länger. Gefärbte Strähnchen, tippe ich. Nur seine Stimme ist nicht so quäkig. Und die Freundin heißt hoffentlich nicht Naddel.
    Sie erinnert mich an eine der ›No Angels‹-Sängerinnen. Vom Gesicht hinter der Divabrille kann ich nicht viel erkennen. Ihre langen dunklen Haare fallen glatt und glänzend auf den Fellkragen ihres weißen Jäckchens. Jeansstretch umhüllt perfekte Beine, die in rosafarbenen Ugg-Boots enden.
    »Das ist Tamara«, stellt Ditze die attraktive Frau vor. »Konnte sich zwischen zwei Terminen eine Woche freinehmen, dann muss sie weiter zu einem Kunden nach Rio.«
    Er legt besitzergreifend eine Hand hinter ihren Fellkragen. Tamaras Mund lächelt ein »Hallo«. Sie schüttelt meine Hand und zieht sofort eine Visitenkarte aus der Steppjacke. ›Brennenkamp, Hell & Partner PR ‹ lese ich. ›Communication Concepts‹. Eine Adresse in Frankfurt. Ein Titel, der mir nichts sagt, aber nach vielen Meetings zwischen Hydropflanzen und Pressemappen klingt. Einer dieser Berufe, die man mit Glück ergattert, wenn man gut aussieht und »irgendwas mit Medien« machen will. Hat man weniger Glück, landet man in der Telefonzentrale von 9 Live oder verteilt als Promogirl auf Stadtteilfesten Probierpackungen eines fettfreien Salatdressings.
    Ich habe natürlich keine Visitenkarte dabei. Überhaupt komme ich mir neben Naddel, ich meine Tamara, ziemlich abgerissen und provinziell vor. Wird Zeit, dass das Spiel beginnt und ich meinen Heimvorteil ausreize. Die Hackordnung ist den beiden hoffentlich klar. Schließlich sind sie nur Touristen. Vorübergehend Eingeflogene. You flew here, I live here.
    Ich hole meine Tasche vom Gepäckband und treffe das blond-schwarze Pärchen draußen vor der Tür im Sonnenschein. Ditze raucht und hat ein Taxi herangewunken.
    »Irgendwelche Aktivitäten geplant?«, fragt uns die Taxifahrerin, die so aussieht, als ob sie im Nebenberuf stämmige Kinder zur Welt bringt und Schafe zusammentreibt. Was nicht so abwegig ist, denn viele der Bauern in der Umgebung ziehen das Touristengeschäft harter Farmarbeit vor. Parzellenweise teilen sie ihr Land auf und verkaufen es zu Preisen, die selbst die Amerikaner schlucken lassen. Und von denen wimmelt es in Queenstown, genauso wie von Japanern, Koreanern, Brasilianern, Südafrikanern. Kiwis, die in Queenstown arbeiten, können es sich nicht mehr leisten, auch dort zu wohnen. Viele halten nur eine Saison oder zwei durch, schlafen auf dem Zeltplatz oder teilen sich ein überteuertes Häuschen am Stadtrand mit sechs anderen Zimmermädchen und Barkeepern. Dafür ist abends in den Kneipen und Clubs immer was los.
    »Hase, ich muss mich gleich im Hotel hinlegen«, stöhnt Tamara auf der Rückbank in Sägels Richtung. »Sonst bin ich nachher ein Wrack bei meinem Spa-Termin, und der dauert über zwei Stunden.« Sie studiert ihre Nägel, die auf die pinken Lammfellstiefel abgestimmt sind. Hase tätschelt ihr voller Mitgefühl das Glanzhaar. So privat habe ich den Guten noch nie erlebt. Es ist mir etwas unheimlich. Der Prominentenschreck

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