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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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entnehme ich, dass es die Dawn Princess ist, die mehr als 2000 temporäre Bewohner hat. 800 Angestellte verwöhnen die Gäste. Ich muss zugeben: Das Schiff sieht auch aus der Entfernung fantastisch aus. Alles funkelt in blendendem Weiß, strahlender als das Gebiss eines ›Glücksrad‹-Moderators. Und so riesig! Ich versuche gerade, vom Küchenfenster aus die Kajütenfenster zu zählen, als das Telefon klingelt. Es ist Viertel nach sechs. Das kann nur einer sein.
    »Nicht zu früh, hoffe ich?« Dietmar Sägel klingt noch schmieriger als sonst. »Ich habe mal wieder einen Anschlag auf Sie vor.«
    Was sich wohl hinter der polierten Fassade des schwimmenden Hotels abspielt? Ein Ameisenhaufen, in Tupperware verpackt. Ein fremdes Biotop, unerreichbar und unheimlich.
    »Mein Sender dreht gerade in Ihrer Nähe einen schönen Herzschmerzfilm, mit Alpenpanorama und so. ›Irrfahrt ins Glück‹ heißt die Schmonzette. Ist wie eine Mischung aus Rosamunde Pilcher und ›Traumschiff‹. Das sagt Ihnen doch noch was?«
    O ja. Aber nichts Gutes. Sascha Hehn fällt mir da spontan ein. Vielleicht lehnt der da drüben gerade an der Reling? Ich bräuchte ein Fernglas.
    »Gefilmt wird rund um Queenstown«, fährt Sägel fort. »Da sollen ja die ganzen Outdoorverrückten und Extremsportler sein, die Bungeespringer und so.«
    »Da wurde auch ganz viel von ›Herr der Ringe‹ gedreht«, werfe ich müde ein.
    »Genau. Deshalb sollten wir uns einfach dort treffen. Kommen Sie doch dahin und schreiben was über die Dreharbeiten. Aber nur Nettes, haha, wir brauchen gute Presse.«
    »Okay, äh, ja, das könnte klappen. Muss ich gucken.«
    Tu’s nicht. Sag ihm ab. Du willst doch nicht etwa wieder über Promis schreiben? Schon gar nicht in Ditzes Dunstkreis. Doch der Weltmeister im Überrumpeln kommt mir zuvor.
    »Ich gehe mal davon aus, dass Sie in der nächsten Woche nichts vorhaben, richtig? Das Thema müsste Ihnen doch gefallen, nach all Ihren ergiebigen Recherchen damals bei der Lindenstraße.«
    Er lacht. Es klingt ungut. Ob er sich wohl auch noch daran erinnert, dass ich irgendwann das Deospray aus seiner Schublade genommen und es in den Auspuff seines Ruhrpottmercers gesteckt habe? Das ist nicht das Einzige, was mir heute peinlich ist.
    Die Passagiere der Dawn Princess werden auf Busse verladen und zur Stadtbesichtigung gekarrt. Vereinzelte Exemplare sondern sich ab und schwirren durch Lyttelton, in Pastell und riesige Sonnenbrillen gehüllt. Um sechs Uhr abends ist die Kurzinvasion vorbei. Im Hafen tutet es so laut, dass es bis zu unserem Haus hinauftönt. Das Kreuzfahrtschiff legt wieder ab. Doch das war nur der Auftakt. Hunderttausend Passagiere werden dieses Jahr noch nach Lyttelton kommen. Unausweichlich wie die Promis.
    Ich dachte, ich wäre ihnen entkommen, den Helga Beimers und Sascha Hehns dieser Welt. Einer der vielen Vorzüge Neuseelands war stets: Es ist von Gestalten wie Tatjana Gsell verschont geblieben. Bis auf Peter Jackson und Edmund Hillary kannte ich vor meiner Ankunft keinen einzigen berühmten Neuseeländer. Da war mal Rachel Hunter, einst Model und Frau von Rod Stewart, aber die ist längst geschieden und abgehalftert. Sir Ed ist bereits tot und Peter Jackson meistens im Ausland. Doch ich bin einem Irrtum aufgesessen, auch wenn ich mich in einer Verona-freien Zone bewege. Sänger Ben Harper kommt zum Surfen nach Raglan, Shania Twain hat sich vor ein paar Jahren einen hochalpinen Bergsitz bei Wanaka gekauft, David de Rothschild gehört eine Biofarm auf der Banks Peninsula, und Brad Pitt war neulich in Northland. Dort trank er, mit einem Bart verkleidet, an einem Imbiss einen Kaffee. In Wellington aß er angeblich indisch. Und in Dunedin schaute er sich Schiffe an.
    Rod Stewart habe ich eigenäugig an unserem Surfstrand Taylors Mistake gesichtet. Er trug zum Glück keinen Tanga, sondern Shorts. Seine wirklich überdurchschnittlich langbeinige Penny hantierte mit einem Sonnenschirm, ein sonnenbebrillter Bodyguard wartete im Auto. Die Strandbesucher taten so, als ob sie die zwei nicht bemerkten – so verlangt es das neuseeländische Understatement. Allein schon aus Höflichkeit würde sich kein Kiwi erdreisten, dem Besuch aus Hollywood auf die Pelle zu rücken. Handyreporter sind hier unbekannt. Noch ein nachträglicher Pluspunkt für die Auswandererliste.
    Am härtesten getroffen hat mich Tom Cruise. Schlimm genug, dass er seinen Japanfilm ›Der letzte Samurai‹ rund um den Mount Taranaki drehte, weil der

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