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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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Publikum habe. Franko-Aggro hin oder her – jetzt gilt es, die knapp hundert Kilometer nach Akaroa runterzureißen und nicht schlappzumachen. Als Belohnung winkt jedem Teilnehmer – na was wohl – eine Stange Baguette.
    Morgens um acht Uhr stehe ich zwischen tausend in funkelndes Lycra gewandeten Radlern auf dem Platz vor der Kathedrale und umklammere die Griffe meines Rennrads. Wir sind ›Les Riders‹. Starr blicken wir nach vorne und warten auf den Start. Die Marseillaise erklingt in bombastischer Lautstärke über unseren Köpfen. Endlich der Pfiff. Allez! Die Meute bewegt sich und hängt mich bald ab. Zweieinhalb Stunden später trifft Le First in Akaroa ein. Ich brauche fast so lange nur für die Hälfte der Strecke. Ah oui. Der Gedanke an meine drohende Cellulitis treibt mich voran. An der Ziellinie in Akaroa wehen blau-weiß-rote Banner.
    »Das Baguette ist längst alle«, begrüßt mich mein Sohn. »Es gibt nur noch Toastbrot.«
    Mon Dieu. Erschöpft kämpfe ich mich zu einem der Dixieklos durch. Da ist er dann endlich, der authentische Hauch von Frankreich: eine verdreckte Toilette. Merde alors.

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    Geh aus, mein Herz, und suche Freud
    DASS ES SOMMER wird auf der Südhalbkugel, merkt man daran, dass sich Besuch ankündigt. In solchen Zeiten halten Auswanderer eng zusammen. Nur Menschen gleicher Herkunft wissen, was einem bevorsteht.
    In der Ferne sein Immigrantenschicksal zu meistern, ist hart genug. Erschwert wird es dadurch, dass Leute, die man nur flüchtig kennt, dort Urlaub machen wollen. So ist das, wenn man an einem beliebten Reiseziel lebt. Das war schon in Kalifornien so. Entfernte Bekannte vom Cousin des Ex-Freundes der Nachhilfelehrerin meiner Schwester hatten irgendwie meine Adresse ergattert, tauchten mit ungebremster Begeisterung, aber ohne sonstige Gaben auf, aßen den Kühlschrank leer und erwarteten drei Tage Stadtrundfahrt von mir. Das machte ich zweimal mit, dann empfahl ich den nächsten Halbwildfremden, die sich selbst einluden, die Jugendherberge.
    Mit Dietmar Sägel dürfte das etwas schwieriger sein. Vom Flughafen abholen, die Gegend zeigen, ihm Essen kochen, und das alles 24 Stunden lang – das gebietet die Gastfreundschaft. Und das Geschäft. Den Flug hat er gebucht, die Mietwagenfirma gibt ihm Rabatt, Hotels lässt er sich noch offen, und Lufthansa hat ein Upgrade in die Businessclass versprochen. Da kann ja nichts mehr schiefgehen. Außer, dass ich mich in den nächsten Wochen spontan entschließe, nach Australien auszuwandern, um dieses Schicksal von mir abzuwenden.
    Eva hält in ihrem neuen Häuschen Kriegsrat beim Kaffeeklatsch. Am Eingang hängen drei geflochtene Flachstaschen wie eine Installation an der Wand. Sie hat Rhabarberkuchen gebacken und trägt eine Schürze, auf der ein Pavlova-Rezept steht. Stefanie und Ruth sind schon da. Stefanie ist eine drahtige Fremdenführerin aus Bremen, seit fünf Jahren im Lande und kennt jeden Bergpfad. Ruth ist etwas braver und stiller. Sie unterrichtet an einer Sprachschule. Claude kommt auch, da sie genug Deutsch für unseren Klüngel beherrscht. Sie hat ihre Münchner Flamme dabei. Tine ist klein und kräftig und hat eine Kamera über der Schulter hängen. Sie macht Videoinstallationen und filmt daher ständig. Ich bin ihr in den letzten Wochen öfters in Lyttelton begegnet, aber habe nie mehr als ein paar Worte mit ihr gewechselt. An den Dialekt muss ich mich noch gewöhnen. Claude stöhnt, als sie sich aus ihrer engen Motorradjacke pellt.
    »Was ist los?«, fragt Eva. »Wie läuft’s mit deinem Herrenbesuch?«
    Sie kann wohl kaum Tine meinen, obwohl die wirklich sehr testosteronhaltig wirkt.
    »Sebastian kenne ich von der Documenta aus Kassel«, erklärt Claude in meine Richtung und greift sich ein Stück Kuchen süß-sauer. »Er wohnt gerade bei uns. Schlechtes Timing, wegen Tine. Aber er macht die Gartenarbeit für mich.«
    »Nur hat er leider koa Ahnung, was dös Unkraut ist und was ang’pflanzt ist«, sagt Tine und legt den Arm um Claudes Hüften. »Aber Biologie tut’s er studier’n, ha!«
    Auch sonst gibt es Wissenslücken bei Sebastian. Die weite Welt der Frauenliebe ist ihm gänzlich unbekannt. Da müssen Claude und Tine viel erklären. Der Traveller kann kaum glauben, wo er gelandet ist: auf Lesbos in der Südsee. Sebastian blüht richtig auf. Er hat schon vorgeschlagen, länger zu bleiben. All das Unkraut.
    »Er hat mir eine Melissa-Etheridge-CD geschenkt, jo mei! Fehlt’s nur

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