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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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noch die CD Lang und die Tracey Chapman.« Tine schüttelt sich. Sie hört am liebsten Trance und Triphop. Nächste Woche will sie zu einem Open-Air-Rave, irgendwo zwischen Strand und Felsen.
    »Wenn wir montagabends ›The L-Word‹ gucken, will Sebastian immer dabei sein«, sagt Claude. »Und danach kommen dann ständig Fragen. Langsam nervt’s.«
    Sebastians Traumreiseziel scheint Claudes und Tines Doppelbett zu sein. Tine hat das gleich gerochen.
    »Natürlich hofft der Bua, dös do a Dreier läuft. Ich kenn die Sort’ aus Schwabing.«
    Wir beratschlagen. Ruth, der ich so viel Raffinesse gar nicht zugetraut hätte, hat den besten Vorschlag: den Gastgärtner abends abfüllen, bis er nichts mehr weiß. Ihn komatös ins Bett stecken. Und ihm dann am nächsten Morgen zweideutige Komplimente machen über die tolle Nacht. »Der wird sich ärgern, garantiere ich euch.«
    Stefanie kennt sich mit Herrenbesuch ebenfalls aus. Unvergesslich waren Karl-Heinz und Hans-Jürgen. So hießen sie wirklich. Karl-Heinz hatte ihr geschrieben: »Hallo Steffi, erinnerst du dich noch an mich aus der Anti-Abifeten-AG ?« Sie erinnerte sich beim besten Willen nicht, aber das hielt Karl-Heinz nicht ab, sich selber einzuladen, »es soll ja so schön sein bei euch«. Als die Stunde schlug, wo sie mit Karl-Heinz und Hans-Jürgen vor der Kathedrale in Christchurch verabredet war, wäre sie am liebsten spontan in der Fußgängerzone untergetaucht. Schon von Weitem waren die beiden unschwer an Tevasandalen mit Socken und übermäßig viel Goretex erkennbar. Sie hatten tatsächlich ihre Hollandräder mitgebracht, Südalpen hin oder her. Stefanie führte sie, um die Sache abzukürzen, in ein Fastfoodlokal. Da die Karl-Hanseln kaum Englisch verstanden – oder zumindest nicht die neuseeländische Aussprache –, bestellten sie sich sicherheitshalber Bratwürste. Geschlagene fünfundachtzig Minuten lang beschrieben sie ihr im Detail jeden Meter, den sie auf den Touristenpfaden Aucklands seit der Ankunft zurückgelegt hatten – eine Stadt, in der Stefanie drei Jahre gelebt hatte. Was daran verbesserungswürdig, was akzeptabel und was mangelhaft sei. Es war ein einziger, ewiger Wolfgang-Petry-Moment: Hölle, Hölle, Hölle. Seit jenem Nachmittag hat Stefanie eine neue E-Mail-Adresse.
    Wir seufzen mit Schaudern und Kuchenkrümeln im Mund auf. Doch es kommt noch schlimmer. In ein paar Wochen rückt Evas Schwiegermutter aus Thüringen an. Kann kein Wort Englisch, war »im Westen« noch nicht weiter als auf Teneriffa und will bis April bleiben. Natürlich auch bei Eva, obwohl sie und Jörg jetzt getrennt leben, denn die alte Dame ist ganz vernarrt ins Enkelkind. Takaka wechselt jede Woche das Zuhause. Das gleiche Arrangement schwebt auch der Schwiegermutter vor.
    Fünf Monate! Wir Kaffeetanten sind bestürzt.
    »Was macht ihr denn so lange mit ihr?«, frage ich. »Du bist tagsüber an der Uni, und Jörg arbeitet ja die ganze Zeit. Der kann sie doch nicht pausenlos auf Rundreise schicken. So viele Geysire kann man gar nicht abklappern.«
    »Oh, es gibt allein 19 heiße Quellen rund um Rotorua«, sagt Stefanie, die Fremdenführerin.
    »Und der Schwefelgeruch wirkt wie Viagra«, weiß Ruth. Sie überrascht mich wirklich. »Kein Quatsch, das hat gerade jemand erforscht. Vielleicht lernt sie da einen rüstigen Rentner kennen?«
    Eva hat schon eine Idee.
    »Englischkurs. Jeden Vormittag. Und nachmittags dann noch Konversationskurs.«
    »Da sitzt sie doch mit lauter achtzehnjährigen Koreanern und Japanern«, wirft Ruth ein. »Worüber soll sie sich mit denen denn unterhalten?«
    Aber Eva hat bereits herumtelefoniert. An einer Sprachschule in der Innenstadt bieten sie bunte Abende und Freizeitgestaltung an. Für alle Altersklassen, betonte die Sekretärin. Nein, nicht Poker oder Tischtennis. »Sondern Gotcha«, sagt Eva. »Farbkugelschießen. Im Gelände.«
    Tine feixt.
    »Da schicken’s ma gleich unsern Basti mit. Der braucht’s a Abkühlung.«
    »Aber lass sie bloß nicht zu ›Kamikaze Paintball‹«, sagt Stefanie, die sich wirklich gut auskennt, »da haben sie nämlich ein deutsches Dorf als Kulisse. Denk daran: Nachkriegsgeneration.«
    Als der Kuchen aufgegessen ist, greifen wir uns die Zeitschriften, die Eva aus Köln mitgebracht hat.
    »Schon wieder so ein Auswanderer-Psychotest.« Stefanie stöhnt und tippt auf eine Seite in einer Illustrierten. »Hört das denn gar nicht auf? Ist da die Massenflucht ausgebrochen?«
    »›Der große

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