Was sich liebt das raecht sich - Roman
A. Dort beschwerten sich die Leute über das beständig gute Wetter, aber das war wenigstens verlässlich, wenigstens erwartete man, wenn man morgens aufstand, keinen Sonnenschein und wurde dann von einem heftigen Gewitter überrascht.
Ihr Blick fiel in den Spiegel, und in ihrer Kehle stieg ein Schluchzen auf. Infolge des fehlenden Sonnenscheins wirkte ihre von Natur aus helle Haut wie die von Caspar, dem freundlichen Geist. Ihr Gesicht sah ungesund und aufgedunsen aus, und ihre Haare brauchten dringend einen ordentlichen Schnitt. Martha kam sich so vernachlässigt und so zerrupft wie die Streunerin unter dem Busch im Garten vor.
Trotzdem nahm sie sich ein Magnum aus dem Eisfach und versuchte, einfach nicht daran zu denken, dass sie in den letzten Wochen richtiggehend dick geworden war.
»Hi. Ich dachte, ich komme mal vorbei und gucke, wie es dir geht.«
Smalltalk mit Sebastian war sie nicht gewöhnt. Deshalb bedachte sie ihn mit einem argwöhnischen Blick und aß schweigend ihr Magnum auf. Wahrscheinlich hatte Sebastian wieder einmal die Erwartungen seines Vaters nicht erfüllt und brauchte daher jemanden zum Reden, oder vielleicht eher jemanden, an dem er seinen Frust ablassen konnte, überlegte sie. Sie hatte noch immer den Verdacht, dass er ein Verhältnis hatte. Die Wogen süßlichen Parfüms, die manchmal seinen Anzügen entstiegen, und der lange Raubtierkrallenkratzer auf dem Rücken, der ihr erst am Vortag aufgefallen war, verrieten ihn.
»Glaubst du, dass es Menschen gibt, die keine Kinder
haben sollen?«, wollte sie aus heiterem Himmel von ihm wissen.
Sebastian sah sie unbehaglich an. »Was?«
»Ich habe darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass es Menschen gibt, die aus irgendeinem Grund keine Kinder haben sollen.« Ihre Stimme wurde rau. »Sonst ergäbe das, was uns passiert, einfach keinen Sinn. Aus irgendeinem Grund soll es offenbar einfach nicht sein.«
»Ähm … wir müssen miteinander reden«, fing Sebastian mit Grabesstimme an.
»Worüber?« Plötzlich fühlte Martha sich erschöpft. Manchmal war das Zusammensein mit ihrem Mann derart anstrengend für sie, dass sie das Gefühl hatte, als bräuchte sie Urlaub von ihm, damit sie endlich wieder einmal einen klaren Kopf bekam.
Sebastian stapfte in der Küche auf und ab und zerrte am Kragen seines Hemds, als bekäme er nicht mehr genügend Luft. Nach dem grauenhaften Anschiss, den er vor ein paar Tagen von Judd im Büro bekommen hatte, war ihm bewusst geworden, dass er augenblicklich kaum noch etwas zu verlieren hatte. Mit seiner Arbeit beim Verlag machte er nicht gerade Furore, und es gelang ihm einfach nie, Eindruck bei seinem alten Herrn zu schinden, ganz egal, was er privat oder beruflich tat.
Als er Marthas Blicke auf sich spürte, überlegte er, wie er die Bombe am besten platzen ließ. Die Nachricht, dass seine Geliebte von ihm schwanger war, könnte Martha an den sprichwörtlichen Rand des Wahnsinns treiben, doch es mussten Entscheidungen getroffen werden, denn die Zeit wurde allmählich knapp. Er hatte sich einen Plan zurechtgelegt, der ihm im ersten Augenblick vollkommen logisch vorgekommen war, jetzt allerdings, als er Martha gegenüberstand, hielt er ihn mit einem Mal für die
schlechteste Idee der Welt. Aber so oder so hing seine Ehe in der Schwebe, und er hatte keine Ahnung, weshalb er so panisch war.
»Wie sehr wünschst du dir ein Baby?«, fragte er sie brüsker als beabsichtigt.
Martha starrte ihn mit großen Augen an. »Du weißt, wie sehr. Ich wünsche mir ein Baby mehr als alles andere auf der Welt.«
Er zögerte einen Moment, setzte dann jedoch alles auf eine Karte und wollte von ihr wissen: »Also gut, was würdest du sagen, wenn ich eine Frau kennen würde, die ein Kind erwartet, es aber im Grunde gar nicht will. Eine Frau, die ihr Baby, wenn wir sie dafür bezahlen, vielleicht uns beiden überlässt?«
Martha versuchte zu verstehen, wovon er sprach. »Wer? W-wer bekommt ein Baby, das er uns geben würde?«
Sebastian winkte ab. Auf diese heikle Frage ginge er lieber erst später ein. Wenn es Martha allerdings wichtiger als alles andere war, ein Baby zu bekommen, hätte er möglicherweise einen Ausweg aus der Klemme, in die er geraten war.
»Hast du schon mal darüber nachgedacht, ein Kind zu adoptieren?«
Martha schüttelte den Kopf. Worauf wollte Sebastian nur hinaus? Vielleicht wollte er es machen wie Madonna und ein afrikanisches Baby adoptieren oder etwas in der Art. Nicht, dass sie
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