Was sich neckt, das küsst sich (German Edition)
bedeutete, es mit jemandem wie Rafe Stryker aufzunehmen.
Nach dem, was Charlie erzählt hatte, hätte Trisha Wynn Mitte sechzig sein müssen, doch sie sah eher aus wie Mitte vierzig und zog sich an wie eine Fünfundzwanzigjährige. Ihr rosa-gold-farbenes Wickelkleid mit dem tiefen Ausschnitt schmiegte sich an beeindruckende Kurven. Dazu trug sie hochhackige Pumps, viel Make-up und klingende Ohrringe.
„Freunde von Charlie sind auch meine Freunde“, sagte sie statt einer Begrüßung und bat Heidi in ihr kleines, aber gemütliches Büro. „Glen steckt also in Schwierigkeiten. Wieso überrascht mich das nicht?“
Heidi ließ sich auf den bequemen lederbezogenen Besucherstuhl sinken. „Sie kennen meinen Großvater?“
Trisha zwinkerte ihr zu. „Wir haben letzten Herbst ein langes gemeinsames Wochenende im Resort verbracht. Eine Suite mit offenem Kamin und Zimmerservice. Normalerweise gehe ich älteren Männern eher aus dem Weg, aber für Glen habe ich eine Ausnahme gemacht. Es hat sich gelohnt.“
Heidi nickte und lächelte verkrampft, obwohl sie sich am liebsten die Finger in die Ohren gesteckt und angefangen hätte zu summen. Einzelheiten aus dem Liebesleben ihres Großvaters wollte sie schon an guten Tagen nicht hören, und dies war wahrlich kein guter Tag.
„Na dann, freut … freut mich, dass Sie … zufrieden waren“, stotterte sie.
Trishas Lächeln wurde breiter. „So kann man es auch ausdrücken. Also, was hat Glen dieses Mal angestellt?“
Zum zweiten Mal innerhalb einer Stunde erklärte Heidi die Geschichte von Glen, May Stryker und ihrem Sohn. Trisha hörte zu und machte sich Notizen.
„Und Sie haben das Geld nicht, um May auszuzahlen.“
Das war mehr eine Feststellung von Trisha als eine Frage, doch Heidi beantwortete sie trotzdem. „Bargeld besitze ich praktisch nicht. Ich habe zweitausendfünfhundert Dollar auf dem Sparbuch, mehr nicht.“
Trisha zuckte leicht zusammen. „Ein kleiner Rat unter Freunden: Sagen Sie das niemals einem Anwalt.“
„Oh. Charlie meinte … na ja, sie hat angedeutet, dass Sie diesen Fall vielleicht umsonst …“
Trisha legte ihre Finger mit den fuchsiafarbenen Nägeln aneinander. „Ich nehme pro Jahr ein paar solcher Fälle an. Meistens weil sie mich interessieren oder weil mir jemand Schuldgefühle macht. Mein vierter Ehemann, möge er in Frieden ruhen, hat mich gut versorgt zurückgelassen. Also brauche ich das Geld nicht unbedingt. Aber es ist trotzdem nett, bezahlt zu werden.“
Heidi war nicht sicher, was sie dazu sagen sollte, also hielt sie den Mund.
Trisha lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. „Okay, das hier sind die Hauptprobleme, die ich sehe. Erstens, zweihundertfünfzigtausend Dollar zu erschwindeln ist nichts, was einen Richter sonderlich amüsiert. Das ist ein schweres Verbrechen, für das Glen mehrere Jahre ins Gefängnis wandern könnte. Wenn Sie so pleite sind, wie Sie behaupten, steht eine zügige Rückzahlung der Summe aber wohl nicht zur Debatte.“
Heidi nickte. „Wenn ich monatliche Raten …“
„Das wird ein Teil der Verteidigungsstrategie sein. Dass Sie das Geld zurückzahlen möchten und einen Rückzahlungsplan vorstellen werden. Was machen Sie beruflich?“
„Ich züchte Ziegen. Aus ihrer Milch mache ich Käse und Seife. Zwei meiner Ziegen sind schwanger. Ich werde die Jungen verkaufen können.“
Trisha schaute zur Decke. „Könnte ich doch nur einmal mit jemandem arbeiten, der eine Internet-Start-up-Firma hat. Aber nein …“ Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Heidi. „Ziegen. Okay. Gut. Damit sind Sie ortsgebunden und können nicht einfach durchbrennen. Dieser Harvey - der Grund für all den Ärger -, bringen Sie ihn her. Der Richter muss sehen, dass Glen einen Grund hatte, das Geld zu nehmen. Wie geht es Harvey?“
„Super. Die Krebsbehandlung hat angeschlagen, und die Ärzte gehen davon aus, dass er in zwanzig Jahren ruhig im Schlaf stirbt.“
„Gut. Harvey soll seine Krankenakte mitbringen.“
Trisha fuhr fort, ihre Strategie darzulegen. Als sie fertig war, fragte sie: „Wie hieß der Sohn noch mal?“
„Rafe Stryker.“
Trisha tippte den Namen in ihren Laptop. Um ihre perfekt geschminkten Lippen zuckte es. „Sie haben sich leider den falschen Mann ausgesucht, um sich mit ihm anzulegen, Missy. Er würde sogar einem Hai einen Schrecken einjagen.“ Sie tippte noch etwas, dann stöhnte sie. „Sieht er gut aus?“
Heidi dachte an den großen, leicht Furcht einflößenden Fremden, der ihre
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