Was Sie schon immer über 6 wissen wollten
noch unmittelbar auf das Zeichenvokabular des ISOTYPE zurückgegriffen. So nutzte der Künstler Andreas Siekmann das Repertoire 2005 für seinen Zyklus Faustpfand. The Treuhand and the invisible Hand . Das politische Sujet der Ungereimtheiten und Mauscheleien beider Abwicklung der Ex-DDR-Betriebe bot sich an für eine Darstellung ganz im Geiste und im Vokabular Otto Neuraths.
Vielleicht ist Neuraths Ansatz als Ausweg aus den Aporien der Moderne sogar fruchtbarer zu machen als die Programme von Christopher Alexander und E.F. Schumacher, denen bei Licht besehen doch etwas arg Fortschritts- und Kulturpessimistisches anhaftet. Auch wenn wir es uns manchmal wünschen würden, gibt es aus der Gegenwart keinen Weg zurück in die vormoderne und vorindustrielle Zeit, als das Leben noch hübsch überschaubar im dörflichen Rahmen stattfand. Dafür leben mit knapp sieben Milliarden einfach zu viele Menschen auf dem Planeten, von denen zudem die wenigsten freiwillig auf die Segnungen des Fortschritts verzichten würden und die Mehrheit sie anstrebt. Dennoch gibt es eine ganze Reihe von Großbaustellen, diesen Fortschritt gerechter zu verteilen, besser bewohnbar und benutzbar zu machen.
Der Kognitionswissenschaftler und Designtheoretiker Donald A. Norman bricht in seinem jüngsten Buch Living with Complexity eine Lanze dafür, Komplexität nicht zu reduzieren, was ohnehin nicht möglich sei, sondern besser zu designen. Und er trifft dabei eine verdienstvolle Unterscheidung zwischen „komplex“ und „kompliziert“: „Wenn Komplexität unvermeidbar ist, weil sie die Komplexität der Welt oder der zu lösenden Probleme widerspiegelt, dann ist sie entschuldbar, verständlich und erlernbar. Wenn aber die Dinge kompliziert sind, wenn die Komplexität das Resultat armseligen Designs in unnachvollziehbaren Schritten und ohne ersichtlichen Grund ist, dann ist das Ergebnis verstörend, verwirrend und frustrierend.“ Das heißt aber auch: Es kommt nicht nur auf die Größe an, und Komplexität ist nicht per se schlecht. Man kann damit leben.
Der Verweis auf das menschliche Maß, auf den Menschen als Addressaten und Endnutzer, wird dadurch nicht entkräftet. Und die Aufgabe, die Komplexität der Welt in Zahlen wieder für ganz normale Menschen zugänglich und nachvollziehbar zu machen, gehört heute mehr denn je zu den vorrangigsten. Sie darf nicht den Designern allein überlassen werden, daran müssen Soziologen, Informatiker, Naturwissenschaftler und Ökonomen mitwirken und zusammenwirken. Der schwedische Bevölkerungsforscher Hans Rosling demonstriert mit seiner fantastischen Software Gapminder (gapminder.org), wie so etwas aussehen kann und wie viel Spaß und Erkenntnisgewinn in Statistiken stecken kann, wenn man sie intuitiv und interaktiv aufbereitet.
Was gut gestaltete und intelligente Infografik vermag, kann man in dem grundlegenden Buch The Visual Display of Quantitative Information von Edward Tufte erfahren. Dass der Visualisierung von Information eine eigene Schönheit innewohnen kann – nicht umsonst gibt es im Englischen den Neologismus „Infoporn“ –, lässt sich als state of the art in Information is Beautiful von David McCandless und täglich neu im zugehörigen Blog informationisbeautiful.net besichtigen. Auch wenn sich die Welt dadurch vielleicht nicht auf menschliches Maß zurückstutzen lässt, besteht doch die Chance, dass wir uns auf diese Weise besser darin zurechtfinden und zu Hause fühlen.
XII.
Soziales Plastik
Kevin Bacon ist eigentlich ein ganz normaler Hollywood-Schauspieler, der viele Rollen gespielt hat, die längst wieder in Vergessenheit geraten sind. Vielleicht prädestinierte ihn ausgerechnet seine Mittelmäßigkeit dazu, eine der bekanntesten Veranschaulichungen eines Phänomens zu werden, das wenig mit Filmen zu tun hat, aber dafür umso mehr mit Netzwerken und sozialen Beziehungen.
1994 erfanden drei amerikanische Studenten ein Partyspiel, bei dem es darum geht, die kürzeste Verbindung zwischen einem beliebigen Schauspieler und Kevin Bacon herzustellen, und zwar über die Filme, in denen sie gemeinsam gespielt haben. So hat etwa James Dean 1956 in Giganten gespielt, in dem auch die Schauspielerin Barbara Barrie eine Rolle hatte. Die wiederum trat gemeinsam mit Kevin Bacon 1987 in End of the Line auf. Demzufolge hat James Dean eine Kevin-Bacon-Zahl (KBZ) von 2 (Kevin Bacon selbst hat die KBZ 0, die Schauspieler, die mit ihm zusammen in einem Film gespielt haben die KBZ 1 und so
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