Was Sie schon immer über 6 wissen wollten
heftig kritisiert, und einige Autoren fanden das Pareto-Prinzip auch im Internet-Handel eher bestätigt als entkräftet. Nicht auszuschließen jedoch, dass es sich bei der Allgemeingültigkeit der 80:20-Regel ebenfalls um ein Phänomen der Mustererkennung handelt und dass sie in viele Verteilungsphänomene hineininterpretiert wird. Aber selbst wenn sie nicht in Stein gemeißelt ist, liefert die 80:20-Faustformel eine praktische Krücke für viele Lebenslagen. Beispielsweise ist sie eine zugkräftige Argumentationsfigur, wenn es darum geht, sich selbst und andere davon zu überzeugen, dass man sich auch einmal mit 80 Prozent zufriedengeben kann, weil das maximale Ergebnis einen überproportionalen und dadurch ungerechtfertigten Mehraufwand bedeuten würde.
Zahlen vs. Natur
Kleine Zahlen und Mengen sind dem Menschen näher als große – in Mediokristan finden wir uns besser zurecht als in Extremistan. Die physikalische Natur ist solchen Unterscheidungen gegenüber indifferent; die zahlenmäßige Ordnung der Dinge, die uns umgeben, kennt solche Präferenzen nicht. Der französische NeuropsychologeStanislas Dehaene, der sich intensiv mit der menschlichen Zahlenwahrnehmung beschäftigt hat, stellt mit Verweis auf die Philosophen Gottlob Frege und W.V.O. Quine fest, „dass kleine Anzahlen in unserer Umwelt objektiv gesehen nicht häufiger vorkommen als große. In jeder Situation könnten potenziell beliebig viele Dinge abgezählt werden.“ Die Wahrnehmung eines gehäuften Vorkommens kleiner Zahlen und Mengen sei hingegen allein der menschlichen Vorliebe geschuldet, die Dinge herunterzubrechen: „Der Eindruck, dass die Welt vor allem aus kleinen Mengen besteht, ist eine Illusion, die uns von den Systemen aufgedrängt wird, mit denen wir sie wahrnehmen und erkennen. Die Natur ist nicht so gemacht, unabhängig davon, was unser Gehirn darüber denkt.“
Wir müssen uns die Größen der natürlichen Welt erst in einen menschlichen Maßstab übersetzen, also Einheiten bilden, mit denen wir rechnen und umgehen können. Früher hingen unsere Maße und Gewichte buchstäblich am menschlichen Körper, wie die alten Längeneinheiten Elle und Fuß bezeugen. Und die Gewichtseinheit Pfund schwankte je nach lokaler Definition zwischen 300 und 600 Gramm – ein Gewicht, das gut in der Hand liegt.
Mit Maß und Zahl wird die Natur handhabbar. Für die Ansprüche einer wissenschaftlich-technischen Zivilisation sind Angaben wie Fuß oder Pfund jedoch viel zu ungenau, weshalb Astronomen und Physiker seit jeher versuchen, die physikalischen Größen mit den zahlenmäßigen Gesetzen der Natur in Einklang zu bringen. Dabei hat sich gezeigt: Es ist gar nicht so einfach, für unsere Maße, Gewichte und physikalischen Einheiten stabile Anker in der Natur zu finden. Das Internationale Einheitensystem (SI) regelt die Definition physikalischer Größen wie Länge, Masse und Zeit, aber auch Temperatur, Stromstärke und noch so einiges andere.
Nur die Einheiten Meter, Sekunde, Volt und Ohm stützen sich dabei gegenwärtig auf das Fundament unhintergehbarer Naturkonstanten wie die der Lichtgeschwindigkeit. So ist das Längenmaß Meter heute definiert als die Länge der Strecke, die das Licht im Vakuum während der Dauer von einem 299.792.458sten Teil einer Sekunde durchläuft. Aber was ist eine Sekunde? Die frühere Definition von einem 86.400sten Teil eines mittleren Sonnentages erwies sich als zu ungenau und wurde später durch das Vielfache der periodischen Schwingung ganz bestimmter Cäsium-Atome ersetzt.
Bei den Einheiten Meter und Kilogramm ergab sich das Problem, dass das Ur-Meter und das Ur-Kilogramm, die in Paris aufbewahrten Referenzobjekte, nach denen alle anderen Metermaße und Waagen geeicht wurden, gewissen minimalen Schwankungen unterworfen sind. Das Ur-Meter wurde durch die Verknüpfung des Meters mit der Lichtgeschwindigkeit obsolet. Die Masseneinheit Kilo dagegen hängt bis heute nicht an einer physikalischen Konstante, sondern ist an das konkrete Objekt als Referenzgröße gebunden. „Das Kilogramm ist gleich der Masse des Internationalen Kilogrammprototyps“, lautet die gültige SI-Definition.
Nur hat dieser 1889 nach dem Vorbild eines Liters Wasser bei vier Grad Celsius, also eines Wasserwürfels mit einer Kantenlänge von zehn Zentimetern, geschaffene Prototyp – eben jener Pariser Zylinder aus Platin und Iridium von 39 Millimetern Höhe und 39 Millimetern Durchmesser – aus bisher ungeklärten Gründen im Laufe der Zeit
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