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Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Titel: Was Sie schon immer über 6 wissen wollten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holm Friebe
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unbeschriebenes Blatt, nur ausgestattet mit der Fähigkeit zur Wahrnehmung, zur Steuerung des motorischen Apparats und mit einem allgemeinen Lernmechanismus. Durch Erfahrung passt sich das Kleinkind an die Gegebenheiten seiner Umwelt an und macht sich nach und nach einen Begriff von der Welt.Erst in einem relativ späten Stadium bildet es abstrakte Vorstellungen von Zahlen heraus.
    Neuere Untersuchungen der Kognitionsforschung und der Neuropsychologie deuten jedoch darauf hin, dass es auch einen vormathematischen Zugang zu Zahlen und Mengen gibt. So haben Experimente gezeigt, dass nicht nur Babys und Kleinkinder Größen voneinander unterscheiden können, sondern sogar verschiedene Tierarten ein Gespür für die Zahligkeit unterschiedlich großer Mengen zu besitzen scheinen. Waschbären konnten zum Beispiel darauf trainiert werden, aus einer Reihe von Glaskästen immer denjenigen auszuwählen, der drei Rosinen enthielt und nicht zwei oder vier. In den 1960er Jahren führte der amerikanische Tierpsychologe Francis Mechner Experimente durch, in denen Ratten lernten, zuerst einen Hebel vier Mal zu betätigen, bevor sie durch das Drücken eines zweiten Hebels Futter zur Belohnung erhielten. Zwar drückten die Laborratten den ersten Hebel nicht immer genau vier Mal, aber sie kamen der notwendigen Häufigkeit doch sehr nahe: 75 Prozent der Versuchstiere drückten zwischen drei und sechs Mal. Das Experiment funktionierte sogar, wenn die Ratten den ersten Hebel acht Mal drücken sollten. Und vor Kurzem wies eine Gruppe um den Würzburger Bienenforscher Jürgen Tautz nach, dass Bienen Schilder mit ein, zwei, drei oder vier darauf abgebildeten Objekten unterscheiden können. Die Schilder waren am Eingang von Plastikröhren aufgestellt. Nur am Ende der Röhre mit zwei abgebildeten Objekten war Futter platziert. Nach einigem Training flogen die Bienen zielsicher die Röhre mit diesem Schild an, auch wenn die dargestellten Symbole verändert wurden und statt zwei blauer Punkte zwei grüne Blätter abgebildet waren.
    Die Evolution hat also das Gehirn mit der Fähigkeit ausgestattet, numerische Größen bis zu einem bestimmten Grad zu erfassen und zu verarbeiten. Das Rechengenie von angeblich mathematisch begabten Tieren wie dem „klugen Hans“ – einem rechnenden Pferd, das vor etwa hundert Jahren Berühmtheit erlangte – beruhte dagegen zumeist auf Manipulationen durch den Versuchsleiter. Hatte das Tier durch entsprechendes Klopfen mit den Hufen die richtige Antwort auf eine mehr oder weniger komplizierte Rechenaufgabe erreicht, signalisierte ihm ein unwillkürlich veränderter Gesichtsausdruck, dass es an der Zeit sei aufzuhören.
Drei auf einen Blick
    Wir sind ständig von einer Unzahl an Dingen und Gegenständen umgeben. Oftmals gruppieren diese sich zu einer mehr oder weniger scharf umrissenen Menge von Objekten: der Bücherstapel auf dem Schreibtisch, die Joghurtbecher im Einkaufswagen, die Münzen im Portemonnaie. Wie verarbeiten wir solche Mengeninformationen? Dringt uns die Anzahl der Dinge ins Bewusstsein, auch wenn wir sie nicht einzeln abzählen? Können wir überhaupt Mengen erfassen, ohne zu zählen?
    Die unterschiedlichen Untersuchungen und Experimente zu dieser Frage legen nahe, dass wir bis zu drei Gegenstände ohne zu zögern auf einen Blick erkennen können. So schreibt Stanislas Dehaene in Der Zahlensinn oder Warum wir rechnen können : „Psychologen wissen schon seit mindestens einem Jahrhundert, dass es eine feste obere Grenze dafür gibt, wie viele Dinge wir auf einen Blick erfassen. Als Assistent von Wilhelm Wundt wies James McKeen Cattell 1886 in Leipzig nach, dass Versuchspersonen mit unfehlbarer Genauigkeit angeben konnten, wie viele schwarze Punkte auf einer Karte waren, solange es nicht mehr waren als drei. Über diese Grenze hinweg machten sie oft Fehler.“
    In Psychologie der Zahl setzt Anita Riess die Grenze höher an: „Erwachsene können innerhalb eines begrenzten Bereichs zwischen den verschiedenen Größen von kleinen Mengen unmittelbar unterscheiden.  [...] Als Grenzzahl stellt sich fast immer die Sechs heraus.“ Dabei kommt es darauf an, was damit gemeint ist, Dinge unmittelbar zu unterscheiden: Tatsächlich hängt die Fähigkeit, die Anzahl von Objekten wahrzunehmen, stark von ihrer Anordnung ab: Wir können die regelmäßig angeordneten sechs Punkte auf einem Würfel mit einem Blick erfassen, weil sie zu einem Muster und damit zu einem Symbol – also selbst zu einer Art Zahl –

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