Was uns glücklich macht - Roman
trotzdem nicht, dass er sein nächstes Leben damit zubringen muss, Pferde abspritzen zu lassen.
Aber die Zeit, als Phillip und ich zusammen waren, ist für mich nicht mehr real, und das heißt, dass ich mich zwar an viele Ereignisse erinnere, aber nicht mehr weiß, wie sie sich angefühlt oder wie sie geschmeckt oder gerochen haben. Ich weiß noch, wie ich an meinem ersten Tag an der Harvard Business School bei der Einschreibung einem schüchternen, brillanten Typen begegnet bin. Er war älter als ich, sieben Jahre. Er hatte an der Wall Street gearbeitet, und seine Firma zahlte ihm nun das Studium in Cambridge. Phillip war ein Genie, und das konnten sie alle schon damals sehen, es war offensichtlich. Ich erinnere mich an sein üppiges schwarzes Haar, das hinten ungepflegt und lockig war, was gar nicht zu seinem Gesicht passte. Ich erinnere mich daran, dass wir beide bis zu einem gewissen Grad Außenseiter waren; ich wegen meines Vaters, Phillip, weil er im falschen Stadtteil geboren war. Phillip stammte aus Brooklyn, der sprichwörtlichen Heimat aller Selfmademen. Sein Vater, ein liebenswerter, reizender Mann, fuhr Milch aus. Phillip, kurz davor, sein Studium als Jahrgangsbester abzuschließen, hat immer zu mir gesagt: »Was man uns auf der Uni beibringt, ist auch nicht mehr wert als das, was ich in Brooklyn auf der Straße gelernt habe.« Phillip war eine Kämpfernatur, und wenn es sein musste, griff er auch zu schmutzigen Mitteln.
Ich habe jedoch eine andere Seite an ihm kennengelernt. Ich war die Einzige, der gegenüber er sich manchmal ein wenig öffnete. Er konnte sehr witzig sein. Sein Humor war beißend und sarkastisch, was meiner Ansicht nach verriet, wie unsicher er sich als einziger Brooklyn Boy an einer der renommiertesten Hochschulen Amerikas fühlte. Und wie ich liebte er alte Filme. Das war es, was uns wirklich verband. Vor allem Humphrey Bogart hatte es ihm angetan. Die einzige Gelegenheit, bei der er sich ein bisschen dämlich benahm, war, wenn er an Bord eines Flugzeugs ging. Egal wo wir uns befanden, immer zitierte er die berühmten Zeilen aus Casablanca .
»Weil du mit der Maschine fliegen wirst«, sagte er dann und bleckte wie Bogart die Zähne, und auch stimmlich traf er den Ton genau. »Wenn du jetzt nicht mit ihm gehst, wirst du es bereuen. Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen, aber bald, und dann bis an dein Lebensende.«
Ich habe diesen Film immer geliebt, und ich liebte Phillip wahnsinnig. Es war eine Liebe nach Art von Ingrid Bergman, nur dass ich viel zu egoistisch war, um je auch nur in Betracht zu ziehen, ihn zum Wohl der Résistance wegzuschicken. Sollte Paris doch fallen und die Deutschen über die Fifth Avenue marschieren, ich würde diesen Mann nicht freiwillig gehen lassen. Das ist auch der Grund, warum mich die Art, wie es endete, so verletzte, und warum ich bis zum heutigen Tag hoffe, dass ich ihn eines Tages dabei beobachten darf, wie er es einem Hengst besorgt.
Es heißt, die beste Rache sei die, ein gutes Leben zu führen, aber davon halte ich auch nichts. Niemand führt ein besseres Leben als ich; ich habe eine Maisonettewohnung in der Park Avenue, einen Chauffeur, einen Koch, eine Assistentin und ein Wahnsinnshaus in South Hampton, und ich habe all das aus eigener Kraft erreicht. Aber die Geschichte mit Phillip habe ich immer noch nicht überwunden, ich glaube nicht, dass mir das je gelingen wird, und ich wünsche mir nichts mehr, als dass es ihm zehnmal mieser gehen möge als mir.
Wenn das gehässig klingt, dann ist mir das eigentlich egal.
Samantha
Der Scheißkerl .
Mit jedem Schritt, den ich lief, hallte dieses Wort in meinem Kopf wider. Und es war befreiend: Das Wort erlöste mich von meinem Selbstmitleid. Zorn inspiriert. Zorn hat zu Kriegen angespornt, hat Krankheiten geheilt, andere Kulturen erobert; Zorn mag vielleicht nicht das angenehmste Gefühl sein, führt aber dazu, dass man die Dinge in Angriff nimmt. Und mir half er jetzt auch. Der Zorn wogte in mir und trieb mich bei jedem Schritt an. Er gab mir Kraft. Denn beim Laufen begann ich mich daran zu erinnern, wer ich bin.
Der Scheißkerl.
Ich bin keine Politikergattin. Ich bin Sportlerin. In der Highschool war ich Spielführerin der Fußball- und der Lacrosse-Mannschaft. Im letzten Collegejahr lief ich drei Marathons. Als ich in New York wohnte, habe ich jeden Tag Ultimate Frisbee im Central Park gespielt. Ich steige auf Felsen und Berge, ich fahre Ski, ich surfe. Ich stehe nicht in
Weitere Kostenlose Bücher